Das Runenschwert (Die Saga von den drei Königreichen) (German Edition)
sie auf die Schulter und zog sie dann sanft herab. An’luin schloss die Augen. Er spürte ihre Lippen auf den seinen und wie sie ihn hinab zu sich zog. Sie ist die Königin, dachte er, sie wird schon wissen, was richtig ist.
53. Eine unschöne Entdeckung
ie war noch zu verwirrt, um einschätzen zu können, ob es ihr Leid tat. Geschweige denn, um einschätzen zu können, was sie getan hatte. Aber nun war es zu spät, obwohl es noch so früh am Morgen war, dass der Hahn noch nicht einmal gekräht hatte. Sie hatten sich geküsst und dann war sie in An’luins Armen eingeschlafen. Sie wusste nicht, was sie angetrieben hatte. War es Grausamkeit gewesen oder einfach das Gefühl die Kraft des Rituals, in dem ihr Körper mit heißen, in blauer Farbe getränkten Nadeln, bearbeitet worden war? Sie und An’luin waren nach nur zwei bis drei Stunden erwacht und sie hatte darauf gedrängt, dass sie aufbrachen, um noch am Morgengrauen wieder in Mal Kallin zu sein. Sie wusste, dass er verwirrt war, dass er sich den ganzen Weg über fragte, ob sie und er jetzt mehr als befreundet waren. Sie wusste auch, dass er ein schlechtes Gewissen gegenüber Nieda haben würde. Hatte sie eins gegenüber Ketill?
Während sie die Stufen zu ihren Gemächern hochschlich, dachte sie an den blonden Wolfinger, der so lange ihr Herz gefangen zu haben schien. Als sie verunsichert im Land der Norr gelebt hatte, da war ihr der Cousin von König Olaf als starker Krieger erschienen, der sie vor allem beschützt hatte. Aber seit sie wieder hier in ihrem Heimatland war, hatte sich ihre Freundschaft verändert. Sie hatten sic h voneinander entfernt, das wusste sie, und anfangs hatte sie sich der Hoffnung hingegeben, dass alles wieder so werden würde wie am Anfang, wenn sie mehr Zeit haben würde. Mit der Zeit wurde ihr aber klar, dass es nicht mehr Zeit geben würde - niemals mehr. Sie war Königin und Ketill war nun König, der sich um sein eigenes Volk kümmern musste. Sie würden keine Zeit füreinander bekommen.
Aber warum hatte sie dann das mit An’luin angefangen? War es Trotz? War sie in An’luin verliebt? Cathyll musste sich eingestehen, dass es nichts von beidem war. Sie war durch das Ritual bei den Scicth innerlich so aufgeladen gewesen mit Energie, dass sie die erste Gelegenheit genutzt hatte, um sich zu entladen. Und sie wusste, dass sie ihren besten Freund damit wieder tief verletzt haben würde - spätestens morgen, wenn sie ihn mit dem üblichen formellen Blick einer Königin empfangen würde.
Sie schüttelte den Kopf, um sich von diesen belastenden Gedanken zu befreien, momentan musste sie an andere Dinge denken. Wä hrend ihre Finger die Spur des in den Stein gehauenen Ca’el-Musters nachgingen als sie den Gang zu ihrem Zimmer hinablief, dachte sie an die Schlacht, die ihr am nächsten Tag bevorstand. Immerhin hatte sie geschafft, was sie schaffen wollte: Die Scicth würden sie im Kampf gegen die Sath unterstützen und 250 Krieger schicken. Das war nicht zu verachten und konnte den Ausgang des Kampfes zu ihren Gunsten wenden. Scicth-Krieger waren furchtlose Kämpfer und lösten beim Feind Angst und Schrecken aus - sie hatte es am eigenen Leibe erfahren müssen. Außerdem waren sie geschickt darin, den Gegner zu überraschen und somit doppelt wertvoll.
Cathyll wollte die Tür zu ihrem Schlafgemach gerade öffnen, als sie ein leises Kichern hörte. Woher kam das? Sie drehte sich um und glaubte schon, dass sie sich verhört hatte, als sie es erneut hörte. Sie schritt den Gang ein Stück weiter und bog um die Ecke. Dort lag, hinter einer Tür, eines der oberen Besprechungszimmer, das nur selten genutzt wurde, da es zu abgelegen und klein war und auße rdem zu nah an ihren Privatgemächern lag. Und private Ränkeschmiede hatte sie bisher nicht führen müssen. Eindeutig - das Kichern kam aus diesem Zimmer. Und nun konnte sie auch ein tieferes Lachen hören. Wer war da - in ihrem privaten Besprechungszimmer?
Noch bevor sie der Sache weiter auf den Grund gehen konnte, öf fnete sich abrupt die Tür vor ihr und ein junges Mädchen lief auf den Gang, beide Hände vor den Brustkorb haltend, um seine Nacktheit zu verbergen. Seine Röcke hatte es noch an. Als sich das Mädchen umdrehte und sie sah, schrie es kurz verschreckt auf und blieb dann mit einem sinisteren Lächeln vor ihr stehen. Dann schritt es den Gang hinab um die Ecke.
Aus dem Zimmer kam eine Stimme: „ Cyril? Cyril? Was ist los, stell dich nicht so an. Komm her, ich warte auf
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