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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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früher einmal mit einer Karriere als Schauspieler geliebäugelt, trug eine viel zu enge Lee-Cooper-Jeans und ein knittriges, offenes Hemd, dazu auf Hochglanz polierte Schuhe. Henry hatte eigentlich einen Tribun der Arbeiterklasse erwartet, keinen Tribut an Brian May.
    Während Omar Ali und Henry diskutierten, fiel mir auf, dass Mustaq, ganz der vollendete Gastgeber, durch die Räume glitt, Gäste miteinander bekannt machte und auf alles ein Auge hatte. Nicht, dass er mich vergessen hätte. Einer der Gründe für meine Anwesenheit bestand offenbar darin, dass Mustaq eine Gelegenheit gesucht hatte, um Alan - obwohl dieser mit Sicherheit schon Bescheid wusste - zu erzählen, dass wir in der gleichen Gegend aufgewachsen seien und dass ich seinen Vater und seine Schwester gekannt habe.
    Alan, den das nicht groß zu interessieren schien, schlenderte davon. Doch Mustaq wollte die Unterhaltung mit mir gern fortsetzen. Er führte mich in ein adrettes Wohnzimmer und schloss die Tür hinter uns.
    Als er eine weitere Flasche Champagner entkorkte, fragte ich: »Kommt Ajita je nach London?« »Würdest du sie gern treffen?« »Ja.«
    »Ich glaube, sie hat vor, später im Jahr gemeinsam mit ihrem Mann zu kommen. Warum guckst du so? Bist du skeptisch?«
    »Nein«, antwortete ich. »Aber das öffnet eine Tür, die ich lange mühsam versperrt habe.«
    »Und warum hast du sie versperrt?«
    »Ich habe deine Schwester sehr geliebt, aber eines Tages ist sie für immer verschwunden.«
    »Ja, ich kann verstehen, dass du das verdrängen willst«, sagte er. »Ich hatte erst vor kurzem Gelegenheit, ein Interesse an der Vergangenheit zu entwickeln. Wegen meines >Pop<-Namens und meiner hellen Haut bin ich seit Jahren nicht mehr für einen Paki gehalten worden - ähnlich wie Freddie Mercury, der auch im Ruhm >abgetaucht< ist.
    Ich habe nie von der Fabrik und dem Streik erzählt, selbst dann nicht, wenn das Thema von Journalisten angeschnitten wurde. Ich wollte es nicht verheimlichen, aber ich habe es auch nie an die große Glocke gehängt. Ich habe immer nur gesagt, das sei eine schlimme Zeit gewesen, und außerdem war ich damals noch ein Kind. Haben nicht alle diese Pop-Jungs versucht, sich selbst neu zu erfinden? Wie Bowie?«
    »Und jetzt willst du den Faden wiederaufnehmen?«
    »Hast du je die Fabrik während des Streiks gesehen?«
    »Ich weiß noch, dass Ajita hingefahren wurde - hinten im Auto deines Vaters.«
    »Er hat mich auch ein paar Mal dazu gezwungen. Vor dem Aufbruch habe ich immer geheult und mich vollgeschissen. Das Gebrüll und die Steine und Holzstücke, die man auf uns geworfen hat - das war schrecklich.«
    »Warum hat dein Vater das getan?«
    »Wir sollten die Firma später übernehmen, und deshalb wollte er, dass wir die Realität kennenlernen.« Mustaq stand auf. »Ich würde gern weiter mit dir reden, aber ich muss wieder zur Party.« Ich glaubte schon, er wollte mir die Hand schütteln, doch er warf nur einen Blick auf mein Handgelenk. »Du hast die Uhr abgenommen.«
    »Ich trage sie nicht ständig.«
    »Ich werde darauf zurückkommen«, sagte er.
    »Es scheint dir wichtig zu sein.«
    »Ich denke viel an meinen Vater. Ich habe immer versucht, mich nach außen als jemand ohne Kindheit zu geben. Aber da ist etwas, dem ich auf den Grund gehen muss. Immerhin ist er ermordet worden, und niemand ist je dafür zur Rechenschaft gezogen worden. Hast du den Fall nicht verfolgt?«
    »Soweit wie möglich. Aber das Ende kenne ich nicht.«
    »Der Fall ist nie abgeschlossen worden. Er war nur ein Paki, und der Streik ging den Politikern auf die Nerven.«
    »Ich dachte, man hätte ein paar Leute verhaftet«, sagte ich.
    »Sicher, aber es waren selbstverständlich die falschen. Die Mörder laufen noch frei herum. Aber nicht mehr lange.« Er führte mich zur Tür, wo Henry schon auf mich wartete, um gemeinsam mit mir ein Curry zu essen. Mustaq sagte: »Die Männer, die man verhaftet hat, waren zum Zeitpunkt des Mordes gar nicht in der Nähe unseres Hauses. Wer hat es getan? Und warum? Was war das Motiv?« Dann sagte er: »Ich besitze ein Anwesen in Somerset. Kein englisches Landhaus, sondern etwas Warmes und Gemütliches. Magst du mich besuchen? Dort haben wir Zeit zum Reden.« Er sah Henry an. »Möchtet ihr kommen?«
    »Klar«, antwortete Henry. »Wir kommen.«
    »Mustaq«, sagte ich, »gibst du mir Ajitas Nummer?«
    »Natürlich. Aber sie wird genauso viel Angst vor diesem Gespräch haben wie du. Bitte sei behutsam, ja?«
    TEIL

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