Das sag ich dir
können. Es war fast ironisch, wie gut er in diese Zeit passte. Sein lobenswerter Antirassismus hatte ihn zum idealen Mitglied von Komitees werden lassen. Als schwuler, asiatischer Millionär, der in einen Fußball-Club investierte, war er die perfekte Leitfigur. Bei seinen Glaubensgenossen genoss er kaum Sympathie, weil er die Vorliebe der Regierung für die Bombardierung von Muslimen teilte, und er war sowohl bei den Linken als auch bei den Rechten aus Gründen verhasst, die mir gerade nicht einfallen. Doch er befand sich gleichsam im Schutz einer politischen Wallburg. Niemand außer ihm selbst konnte ihn zu Fall bringen.
Wenn Lord Ali ein wenig selbstzufrieden wirkte, so lag das daran, dass er allem immer eine Nasenlänge voraus gewesen war. Er hatte niemals Skrupel gekannt, wenn es darum ging, gewiefte Geschäftspraktiken mit dem Sozialismus der Labour Party zu verbinden. Inzwischen wandten sich auch viele andere Ex-Linke der Wirtschaft und der von Thatcher begründeten Unternehmenskultur zu, die sie früher so tief verachtet hatten. Es war akzeptabel geworden, seine Gier zu genießen und mehr Geld besitzen zu wollen, als man sinnvoll ausgeben konnte. Angesichts ihres baldigen Ruhestands begriffen die Ex-Linken, dass ihnen nur noch wenige Jahre blieben, um wie so viele ihrer Freunde, die durch Film und Fernsehen, in seltenen Fällen auch durch das Theater reich geworden waren, »richtig fett« Geld zu machen.
»Immer noch für den Krieg?«, fragte Henry ihn. Er hatte, wie üblich bei solchen Anlässen, hastig Champagner getrunken. Später, wenn es Zeit zum Aufbruch war, würde er bestimmt zu einem seiner Monologe ansetzen. »Damit stehen Sie jetz t wohl allein auf weiter Flur.«
Omar war an so etwas gewöhnt. »Aber natürlich. Die Entfernung von Diktatoren ist immer zu begrüßen. Wollen Sie das etwa bestreiten?« Er sah mich an. »Ich weiß, wer Sie sind. Ihre Bücher empfinde ich allerdings als mühsame Lektüre.« »Hervorragend.«
»Wir haben beide einen muslimischen Hintergrund. Finden Sie nicht auch, dass unsere Brüder und Schwestern Teil der modernen Welt werden müssen, wenn sie nicht im finsteren Mittelalter steckenbleiben wollen? Wir haben den Irakern doch einen Gefallen getan, oder?« Ich merkte, dass Henry zu brodeln begann, und Omar, frech und ebenfalls streitlustig, genoss diese Verärgerung so sehr, dass er weiter stichelte: »Als schwuler Muslim bin ich der Meinung, dass auch die anderen Muslime in den Genuss jener Liberalität kommen sollten, von der wir profitieren. Ich will kein Heuchler sein ...«
Henry unterbrach ihn: »Und deshalb haben Sie Blair gedrängt, so viele unschuldige Iraker wie möglich niederzumetzeln ...«
»Na, Sie dürfen nicht vergessen, dass diese Iraker nur ein einziges Buch haben und weder Wissenschaft noch Kultur oder anständige Institutionen kennen. All das müssen wir ihnen geben, auch wenn es bedeutet, dass viele von ihnen umkommen. Nichts, was irgendwie lohnenswert gewesen wäre, ist jemals ohne ein paar Tote abgegangen. Das wissen Sie doch. Ich habe Tony gesagt, sobald er mit Bagdad fertig sei, solle er sich ein paar ähnliche Orte vorknöpfen. Zum Beispiel Bradford.« Omar winkte tuntenhaft mit der Hand. »Ach, ich weiß auch nicht, warum ich all das sage. Eigentlich bin ich immer gemäßigt gewesen.«
»Ja, aber nur in politischer Hinsicht«, warf Alan ein, der in der Nähe stand.
»Mein Ziel war es immer, die Lebensbedingungen der Arbeiterklasse zu verbessern.«
»Oh, natürlich, so jemanden brauchen wir ja auch dringend - einen, der von ganz unten nach oben gekrochen ist«, sagte Henry. »Blairs Problem sind Realitätsverluste. Da hilft es nichts, wenn Leute wie Sie um ihn herumscharwenzeln und ihm ständig erzählen, was für ein toller Hecht er ist.«
»Ihr alten kommunistischen Linken«, erwiderte Ali. »Ihr lasst einfach nicht locker, wie?«
Später erinnerte ich Henry daran, dass er nicht immer so stark gegen Blair gewesen war, wie er und viele unserer Freunde dies gern behaupteten. Gleich zu Beginn der ersten Amtszeit waren Henry und Valerie sogar nach Chequers eingeladen worden, dem Landsitz des Premierministers. Auf der Einladung hieß es »zwanglos«, und Henry trug einen Anzug und ein Hemd mit offenem Kragen. Zu den anderen Gästen gehörten ein berühmter, aber stinklangweiliger Ex-Fußballer, eine Nachrichtensprecherin und ein Läufer oder Ruderer, Henry wusste es nicht mehr genau. Blair, der dem verdutzten Henry erzählte, er hätte
Weitere Kostenlose Bücher