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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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Portion Spaghetti - oder einem Erdrutsch. Sein Sohn geht unter anderem mit einer Modejournalistin. Wenn sie durch Henrys Wohnung tigert, trägt sie Hausschuhe und ein rotes Seidenkleid, und das fällt manchmal auf und enthüllt seinen verblüfften Augen schimmernde Reizwäsche und noch Grauenhafteres. Stell dir mal vor, wie quälend das für ihn ist. Er glaubt, diese Pantoffel-Schönheit würde sich das nur erlauben, weil sie ihn nicht für einen Mann, sondern für einen impotenten Greis hält.«
    »Der arme Kerl.« Ihr Blick bohrte sich in mich hinein. »Aber sie gefällt dir auch, diese Frau, oder? Dieses Pantoffel-Luder? Hast du dich mit ihr getroffen?«
    »Ja.«
    »Was ist gelaufen?«
    Ich zögerte. »Du merkst aber auch alles. Ich habe mich mit ihr verabredet. An einem Abend, als Henrys Sohn unterwegs war, sind wir am Fluss spazieren gegangen und haben bei mehreren Pubs haltgemacht, um Whisky Macs zu trinken. Am Ende war ich völlig blau. Ich muss gestehen, dass ich für niemanden je so starke Gefühle
    entwickelt habe, nicht einmal für Ajita. Danach bin ich eine Woche lang jeden Morgen mit dem Gedanken an sie aufgewacht. Das war ein Delirium. Als hätte man mich in ein Fass mit Wahnsinn getaucht.« »Und?«
    »Nichts >und<. Sie hat die Sache ganz anders gesehen. Hätte sie mir mit einem Wort Hoffnung gemacht, dann wäre ich ihr überall hinterhergelaufen. Aber ich hatte nicht das zu bieten, was sie wollte.«
    »Ach, Jamal. Und der arme Henry.« Sie kramte wieder herum. »Falls ihm der Sinn nach Pornos steht - sie sind in deinem Keller, in einem Pappkarton.«
    »Echt wahr?«
    »Bedien dich und gib ihm auch ein paar. Kennst du Jordania?« »Da bin ich nie gewesen.«
    »Nicht >Jordanien<, du Idiot, sondern >Jordania<. Sie ist ein Pornostar. Sie spielt in einigen Filmen mit. Zusammen mit Schwarzen. Kennst du sie etwa nicht?«
    »Du hältst mich für einen Intellektuellen, aber da liegst du falsch. Am liebsten ergötze ich mich am Fernsehprogramm des späten Abends.« Ich fügte hinzu: »Habe ich dir erzählt, dass Henry das Angebot ausgeschlagen hat, zum Offizier des Order of the British Empire ernannt zu werden?«
    »Warum hat er abgelehnt?«
    »Die Anständigkeit seiner Generation kotzt ihn an. Früher waren sie alle Hippies mit langer Mähne, heute sind sie alle Schuldirektoren mit Glatze. Blair ist ja auch eine Mischung aus Pfadfinder und Mrs Thatcher. Henry hat beschlossen, die Fahne der Dissidenten hochzuhalten.«
    Miriam schloss die Schublade, in der sie gewühlt hatte. »Ist doch unter Henrys Niveau, Eurer-scheiß-Majestät entweder in den Arsch zu treten oder hineinzukriechen. Da wird man genauso blöd wie die Leute hier in der Gegend.«
    »Du hast ihn immer gemocht, ich weiß.«
    »Ja, stimmt. Er hat nicht wie du auf mich herabgeschaut. Er hat mir immer bereitwillig erklärt, was er tut, obwohl ich eine fette und verrückte Philis ... - na, du weißt schon, was - bin.«
    »Philisterin«, sagte ich. »Nächste Woche kommt er zum Lunch zu mir.«
    »Ich besorge das Zeug und lasse es dir vorbeibringen.« Sie gab mir einen Kuss. »Ich liebe dich so sehr, Bro.«
    Auf dem Heimweg spielte Rafi Beethovens Neunte auf seiner jaulenden Mundorgel, was mich immer zum Lachen brachte. Aber hinterher lobte ich ihn für sein Spiel. Dann gab er sein Gespräch zwischen einem Iren, einem Jamaikaner und einem Inder zum Besten, und wir bauten fast einen Unfall.
    Als wir um die Ecke bogen, huschte etwas über die Straße, das wie eine Sammlung brauner Ellbogenflicken aussah.
    »Ein Wolf!«, sagte Rafi. »Ob er uns angreift?«
    »Das ist ein Fuchs«, erwiderte ich. »In dieser Gegend gibt es keine Wölfe, die menschliche Art ausgenommen.«
    Wir waren im Haus. Da es ein warmer Abend war, öffnete ich die Türen zum Garten. Zuerst würde ich Rafi zu Bett bringen, dann würde ich mich mit einem Glas Wein und dem Rest des gestrigen Joints nach draußen setzen. Es war noch so hell, dass ich die Katzen hinten auf der Mauer sehen konnte. Nicht meinen grauen Kater - der lag auf dem Bett, den Kopf in meiner Umhängetasche vergraben -, sondern die schwarze Katze von nebenan mit rotem Halsband und weißem Gesicht und den getigerten Kater, den Schrecken der Nachbarschaft, fauchend und zu jeder Schandtat bereit, mit gesträubtem Fell und gefährlich funkelnden Augen. Eben sah es so aus, als schlügen sie sich gegenseitig mit den Pfoten ins Gesicht.
    »Hey, Rafi, sieh dir das an. Ich glaube, diese Katzen werden gleich heiraten«, sagte ich.

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