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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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zwei Mischlingskindern - gelebt und war dann auf den heimischen Subkontinent zurückgekehrt, um sich in Pakistan niederzulassen, von ihm »das neue Land« genannt. Er wohnte in Karatschi und fand vorübergehend eine neue Frau, reiste aber meist als Journalist durch China, Amerika oder Mexiko.
    Mutter und Miriam waren so wütend ineinander verstrickt wie ein Ehepaar. Da ich nicht gegen Miriam anstinken konnte, hatte ich ihr immer zugehört. Mit der Zeit hatte ich allerdings kapiert, dass ich einfach loslegen musste, wenn ich etwas sagen wollte, laut und ohne Rücksicht auf Verluste. Was zur Folge hatte, dass wir weiterhin gleichzeitig redeten, so als würde Mutter, die ja immerhin zwei Ohren besaß, immer noch versuchen, uns zuzuhören. Zum Glück hatte Mutter, nicht nur quicklebendig, sondern auch bei bester Gesundheit, inzwischen Besseres zu tun, als uns ihre Aufmerksamkeit zu schenken.
    Schon als Teenagerin, eine Zeit, in der sie meist schwanger und auf irgendeinem Trip gewesen war - Janis Joplin war ihr Vorbild -, hatte Miriam nie schlechte Laune gehabt. Ihrer Meinung nach lag es an unserem überhitzten Blut, dass wir so viel quasselten, rastlos waren und den Leuten gern etwas an den Kopf warfen, dies im wörtlichen Sinn. Mutter war rothaarig und hatte irgendwann einmal zur Boheme gehört. Als Kinder waren wir daher eine krause muslimisch-christliche Mischung, hatten eine alleinerziehende Mutter, damals noch eine Seltenheit, und wohnten in einem weißen, gutbürgerlichen Viertel.
    Als ich mich jetzt an den Tisch meiner Schwester setzte, seufzte ich zufrieden. Eines der Kinder brachte mir Dal, Reis und Bier. Onkel, nannten sie mich voller Hochachtung. Ich schlug die Zeitung in der Hoffnung auf, etwas über das Sexualleben anderer Leute zu entdecken -vor allem über das von Politikern. Zuerst hatte ich erwogen, an diesem
    Abend mit Rafi ins Kino oder in ein Restaurant zu gehen, aber hier war ich am liebsten, denn es war das einzige Familienleben, das ich noch hatte.
    Manchmal aß Bushy mit mir. »Das reiß ich mir jetzt untern Nagel, Scheiße nochmal!«, schrie er dann und fiel über eine Schweinspastete her wie ein ausgehungerte Kobold, der soeben aus der Erde gekrochen war. Jetzt stand er allerdings mit seinem Beutel vor der Hintertür und sagte: »Hey, Jamal, ich hatte einen echt merkwürdigen Traum von einer Gitarre, einem Hund und einem Trampolin. Und...«
    Miriam unterbrach ihn: »Gib Ruhe. Der Doktor behandelt keine durchgeknallten Träume - ohne Bezahlung.«
    »Was muss ich denn blechen, um einen Traum gedeutet zu kriegen? Oder meinst du, es wäre billiger, den Mist einfach abzuhaken?«
    »Gute Frage«, erwiderte ich.
    »Ist auch nicht lang, der Traum.« Auf die Idee, pro Traum bezahlt zu werden und dann auch noch entsprechend der Länge, war ich noch nie gekommen. Vielleicht würde bei einer vorteilhaften Deutung ein Trinkgeld herausspringen. Er sagte: »Oder machst du das nur für die oberen Zehntausend?«
    »Bushy, wenn ich Zeit habe, höre ich mir mal einen deiner Träume an, okay?«
    »Tausend Dank, Boss, wäre großartig. Ich haue mich jetzt besser aufs Ohr.«
    »Zisch endlich ab, Bushy«, sagte Miriam.
    Dass sie mich in Schutz nahm, überraschte mich, denn in gewissen Gemütsverfassungen fand Miriam meine Arbeit eher lächerlich als amüsant. (Sie hatte mir einmal gesagt, der einzige Schriftsteller, den sie kenne, sei der Postzusteller.) Sie hielt meine »Verrückten« für Trottel, die mich dafür bezahlten, dass ich alles abnickte oder »Ach, ja?« sagte.
    Wenn sie noch einen daraufsatteln wollte, waren es für sie ausschließlich Egotisten und moralische Wracks, die jede Menge Geld dafür berappten, ihre Schwierigkeiten in mein geneigtes Ohr gießen zu können. Allerdings hatte Miriam mich auch ermutigt, von meinen reichen Patienten mehr zu verlangen, damit ich es für andere billiger machen konnte. In die Gesetze des Marktes habe ich mich nie eingemischt, auch wenn das all jene erbosen mag, die noch Ideale haben. Die meisten Menschen finden es furchtbar, dass ihnen Geld so wichtig ist; sie sträuben sich gegen das, was sie sich wünschen. Wenn Miriam beschloss, einen ihrer Berater aufzusuchen, ging es ihr um knallharte Fakten. So teilte ihr zum Beispiel ein bestimmter »Kristall-Heiler« mit, ob es am Sonntag, für den sie einen Flohmarkt plante, Dauerregen oder »Hoffnung« geben würde. Anders gesagt: Ob sie gute Preise für ihre Luftpolsterfolie und die neue Kollektion der

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