Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
Vom Netzwerk:
mit mir in den Schuppen hinten im Garten zu gehen, wo Bushy unter Wärmelampen sein Dope züchtet. Dort lag eine ziemlich verwarzte Matratze. Ich fand es unfassbar, in meinem Alter noch einen so unbändigen Trieb zu verspüren. Sex ist der Wahnsinn, Wahnsinn, Wahnsinn, Jamal.«
    »Hattest du das vergessen?«
    »Als wir unsere Hosen wieder hochgezogen haben, habe ich gefragt: >Warum können wir das nicht auch machen?< Also habe ich eine Polaroid, ein paar perverse Spielzeuge und eine kleine DV-Kamera gekauft. Ich habe natürlich schon Filme gedreht. Aber solche nicht.
    Wahrscheinlich darf ich sie dir nicht zeigen, denn es ist ja deine große Schwester. Aber wenn ich diese Pornos drehe, muss ich sie zwangsläufig in kleine Kinofilme verwandeln. Ich kann sie auf dem Laptop meines Sohnes schneiden! Ich habe sie sogar mit Musik unterlegt, mit ein paar lockeren brasilianischen Melodien. Sie werden dann zu kleinen Komödien.
    Und dann«, sagte er, »sind wir noch weiter gegangen. Wir haben diesen Laden besucht, der sich in Südlondon unter den Eisenbahnbögen befindet.«
    Er beschrieb eine schlichte Tür unter einem Eisenbahnbogen in einer abgewrackten Ecke Südlondons. »Ben Johnson hätte sofort gewusst, was sich dahinter verbirgt.«
    Bushy hatte die beiden von einer Filmvorführung abgeholt und gemeint, vielleicht wollten sie einen »Blick riskieren«. Er fuhr regelmäßig ein bestimmtes Paar dorthin. Ja, man hatte Bushy sogar gebeten, auf einer der Partys Gitarre zu spielen. Er hatte geprobt und versucht, sich seelisch darauf vorzubereiten, aber kurz vorher hatte er dann doch zu viel Lampenfieber gehabt. Wie sich an der Tür herausstellte - Bushy hatte vergessen, sie darauf hinzuweisen -, kamen Miriam und Henry nicht in Zivil hinein. Sie mussten die Fetisch-Kluft tragen, Gummi, Leder oder Uniform. Die Alternative bestand darin, den Laden nackt zu betreten.
    Henry sagte: »Ich habe gelacht. Das war völlig neu für mich. Ich hatte nie im Leben nackt ein Gebäude betreten. Miriam offenbar schon. Es war zwar kalt, aber nackt klang irgendwie gut, fand ich. Ich habe ja auch bei einem nackten Lear Regie geführt.«
    »Wie sollte ich das je vergessen? Sogar die Töchter waren nackt.«
    »Zum Unglück der Zuschauer können es alte Männer gar nicht erwarten, ihre Kleider abzuwerfen. Ich habe meine Scham niedergekämpft. Miriam ist dieser Anstandsballast sowieso fremd. Also stand ich da, nackt bis auf die Schuhe, mein Schwanz ein Schrumpelchampignon. In dem Bumslokal war es allerdings warm und angenehm, und jeder grüßte freundlich. Ich war ziemlich schnell begeistert.
    Es gab Leute an Hundeleinen, Leute, die in der Wanne lagen, um sich bepinkeln zu lassen, andere hingen kopfüber an einer Schlinge oder reihten sich ein, um ausgepeitscht zu werden. Die Leute drängelten sich - ja, sie überstürzten sich förmlich, um einander ihren Körper zur Verfügung zu stellen! Ich habe Miriam in ein kleines Zimmer begleitet, wo sie sich hingelegt hat und befriedigt wurde.
    Dann traf ich einen dreiundzwanzig Jahre alten Mann, einen Kellner, dessen größtes Vergnügen darin besteht, anderen die Schuhe abzulecken. Er weiß, was er will und was ihm gefällt, obwohl er noch blutjung ist. Wirklich, Jamal, ein solches Gemeinschaftsgefühl habe ich seit meinen Tagen als Sozialist nicht mehr erlebt.«
    Ich musste lachen. »Tu nicht so, als wärst du Mitglied der Fabian Society gewesen, Henry.«
    »Den Leuten stand ihre Lust ins Gesicht geschrieben! Hat Nietzsche nicht etwas darüber geschrieben? Wie kannst du da lachen? All das hast du bestimmt schon von den Leuten gehört, die bei dir auf der Couch liegen.«
    »Ich muss nicht über dich lachen, Henry, sondern über dein Bedürfnis, deinem Tun eine solide intellektuelle Grundlage zu geben.«
    »Aber in Die Geburt der Tragödie «, sagte Henry, »schreibt Nietzsche über Ekstasen, über das Singen und Tanzen und darüber, wie jemand selbst zum Kunstwerk wird, anstatt nur der Betrachter eines solchen zu sein. Das ist doch schon vor Freud gedacht worden. Kein Wunder, dass er sich geweigert hat, Nietzsche gründlich zu lesen. Er wusste, dass darin eine Bedrohung lag, eine Gefahr.«
    Henry und Miriam waren bis zum frühen Morgen auf der Sexparty geblieben, hatten sich unterhalten, getrunken, Körper betrachtet. Ich fragte ihn, ob er eifersüchtig sei oder ob es nur darum gehe, die Eifersucht zu besiegen.
    »Weder noch«, antwortete Henry. »Wenn ich sie mit einem anderen Mann sehe, denke ich immer

Weitere Kostenlose Bücher