Das sag ich dir
sie ihr Geheimnis zwangsläufig preisgeben würde. Aber ihr brannte nichts auf der Zunge. Daher konnte ich nur vermuten, dass sie das Gleiche getan hatte wie ich. Ich musste unbedingt die Details hören, denn ich wollte wissen, woran wir miteinander waren.
Ich bestürmte sie mit Fragen, wollte wissen, woher sie all die Erfahrung habe. Mache sie es noch mit jemand anderem? Habe sie nebenbei etwas am Laufen?
»Naja«, erwiderte sie, »ich habe andere Freunde gehabt, so wie du andere Freundinnen. Aber du willst bestimmt nichts davon hören, oder? Das würde dich nur beunruhigen, Jamal«, sagte sie und streichelte mein Gesicht.
»Ja, schon«, sagte ich. »Aber ich bin sowieso beunruhigt. Stimmt es, dass wir beide vor kurzem untreu gewesen sind?« »In gewisser Weise«, antwortete sie. »Nur in gewisser Weise?« »Ja«, sagte sie.
»Dann liege ich also richtig«, sagte ich. »Dann weiß ich ja, was los ist. Endlich ein Stück Wahrheit! Dem Himmel sei Dank! Ajita, ich glaube, jetzt sind wir quitt.«
»Nicht ganz.«
»Wie meinst du das?«
Sie schwieg.
Warum begehrte sie nicht nur mich? Um welche Art von Untreue hatte es sich gehandelt? Wie konnte sie, da sie doch die meiste Zeit mit mir verbrachte, noch bei einem anderem sein? Und wenn sie nicht bei mir war, besuchte sie eine ihrer vielen Freundinnen oder ihre Familie. Wie war es passiert? Je mehr sie sich weigerte, mir alles zu beichten, desto stärker quälte mich die Sache. Ein so fieses, ätzendes Gefühl des Unglücks war mir neu. Sie konnte nicht mit Absicht so grausam gewesen sein. Unmöglich, dass die Frau, in die ich mich verliebt hatte, so etwas tat. Wie sollte ich mich davor schützen? Als Valentin und Wolf auffiel, wie abgemagert und müde ich aussah, gestand ich, Probleme mit Ajita zu haben, und sagte: »Ich glaube, sie geht fremd.«
Sie mochten Ajita; sie glaubten mir nicht und taten meine Klagen als banales Beziehungstrara ab. Sie waren offenbar der Meinung, ich hätte zu eifrig studiert. Und das stimmte, denn inzwischen las ich sehr viel. Aber ich konnte mich nicht mehr konzentrieren. Warum begriff Ajita nicht, wie sehr mich die Sache belastete? Wo war denn ihre Liebe für mich geblieben?
Als ich darum bettelte, sie möge mir erzählen, was los sei, beachtete sie mich kaum. Sie wirkte zerstreut. Ja, sie sah wirklich nicht so aus, als wäre sie bei einer überflüssigen Untreue oder einer gedankenlosen Zügellosigkeit ertappt worden, bei der sie ihrer Lust Vorrang vor meinen Gefühlen eingeräumt hatte.
Je größer und bedrückender dieses elende Geheimnis für mich wurde, desto hartnäckiger hakte ich nach. Doch sie schwieg sich ebenso hartnäckig darüber aus.
»Es ist nichts«, sagte sie. »Bitte versteh das. Ich liebe dich und würde dich auch heiraten, wenn du mir einen Antrag machst. Aber ich habe so viele andere Dinge um die Ohren, das weißt du doch.«
Ein Nichts also, aber eines, das jetzt als großes Irgendetwas zwischen uns stand. Diese Wunde schmerzte mich immer mehr, und Ajita und ich hatten einander immer weniger zu sagen. Unterdessen nahm meine kriminelle Karriere einen neuen Anlauf. Wolf hatte mich mit Kokain bekannt gemacht, und wenn ich es genommen hatte - und danach zum ersten Mal in meinem Leben redete und redete -, verstrickte ich mich in völlig überflüssige Gespräche.
Valtentin und Wolf hatten immer wieder sogenannte Coups geplant. Aber ob sie mich nicht mit einbezogen, sie vor mir geheim hielten oder ob diese Coups, was meine Vermutung war, nie stattgefunden hatten, auf jeden Fall bekam ich keine Resultate zu Gesicht. Einmal kreuzte Wolf allerdings in einem rosa Cadillac auf, den er im Gegenzug für dies oder das bekommen hatte. Nach ein paar Kurven in den schmalen Straßen West Kensingtons »wurde« das Auto allerdings verschwunden. Ein anderes Mal zockten sie Geld bei einer Frau ab, deren Mann zu einer Haftstrafe verurteilt werden sollte und der sie weisgemacht hatten, sie würden den Richter bestechen. Als sie das Geld für sich behielten, schwor die Frau Rache. Allem Anschein nach plante Valentin einen Coup im Kasino: Er wollte dafür sorgen, dass Wolf beim Blackjack gewann, doch die meisten ihrer Pläne waren heiße Luft. Sie überlegten immer nur laut, was sie mit dem erbeuteten Geld anfangen würden und welcher Teil von Südfrankreich sich am besten als Gangster-Exil eignete. Ja, ein Boot wäre super, aber was für eines? Sie erörterten sogar die Einrichtung ihrer Apartments und stellten sich vor, ihre Tage mit
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