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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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nur, dass er ein Diener ihrer Lust ist.«
    »Und du bist dir sicher, dass es ein gemeinsamer Wunsch war?«, fragte ich.
    »Ganz sicher«, erwiderte er. »Wir wollten es beide. Und es war ganz bestimmt nicht das letzte Mal.«
    ZWÖLF
    Ich hatte Ajita lange genug beobachtet und zugehört. Es war an der Zeit, sie mit meinem Verdacht zu konfrontieren. Aber als ich sie am Tag nach meinem Besuch bei der Fabrik traf, merkte ich sofort, dass ihr zu viel auf der Seele lag. Meinem Gefühl nach war es nicht der passende Zeitpunkt, um die Sache anzusprechen.
    »Der Streik wird schlimmer«, erzählte mir Ajita. »Diese Leute sind von Tag zu Tag entschlossener, uns zu zerstören. Ich glaube nicht, dass sie klein beigeben werden. Dad will ihnen auf jeden Fall die Stirn bieten. Aber eine Seite wird nachgeben müssen.«
    Anders als sonst las oder lernte sie nicht, und sie aß auch nicht so viel Pizza wie üblich. Ich sagte ihr, sie dürfe ihr Studium nicht vernachlässigen. Ich begann, sie in die Bibliothek zu begleiten. Dort saß ich neben ihr, beobachtete sie, während ihr Blick über die Seiten glitt, und half ihr bei den Notizen, aber in ihrer seelischen Verfassung konnte sie mit Philosophie nicht viel anfangen. Sie warf mir die Notizen quer über den Tisch hin, und dann mussten wir in einen Pub gehen, weil sie plötzlich redete wie ein Wasserfall.
    »Ich habe richtig Angst, Jamal. Diese Kommunisten sind wild entschlossen, und meine Familie verliert die ganze Zeit Geld.« Vielleicht stand ich auf der anderen Seite, aber sie war meine Freundin. Was sollte ich sagen? »Wenn das noch lange so geht, sind wir bankrott und müssen bei Verwandten in Indien unterkriechen. Die ganze Familie wird ruiniert sein und sich Schande gemacht haben.« Ajitas Mutter war immer noch fort. Sie rief an und erfuhr von dem Streik, hatte aber nicht vor zurückzukehren. Sie wollte, dass die Kinder in den Sommerferien zu ihr nach Indien kamen, damit der Vater die Sache mit dem Streik regeln konnte. Das beunruhigte mich. Ich wollte nicht, dass Ajita wegfuhr. Ich wollte die ganze Zeit mit ihr verbringen. Sechs Wochen waren eine Ewigkeit.
    Manchmal sah ich einen Ausdruck fast panischer Angst auf Ajitas Gesicht. Wir hatten regelmäßig auf den Klos oder in den Kammern der Bibliothek, in ihrem Auto oder Haus Sex gehabt, doch nun schliefen wir kaum noch miteinander, außer ich bestand darauf. Sie war mit den Gedanken woanders. Der Beziehung ging langsam die Luft aus.
    Da ich nicht allein herausfinden konnte - und auf gar keinen Fall fragen mochte -, wie sie mich betrog, kam ich auf die tolle Idee, ihr zu gestehen, dass ich ihr untreu gewesen war. Fast unmittelbar nach meinem ersten Verdacht, dass Ajita mir untreu sein könnte, hatte ich sie auch tatsächlich betrogen, im Glauben, eine kleine Revanche würde das Gefühl lindern, hintergangen zu werden. Dann hätte sie die gleiche Sorge wie ich.
    Eine Woche zuvor hatte ich meine frühere Geliebte besucht, Sheridan, um ein Gemälde abzuholen, das sie mir geschenkt hatte. Wie so oft gingen wir dann nachmittags miteinander ins Bett. Sie war eine Buchillustratorin, fünfunddreißig Jahre alt und geschieden. Die Kinder waren in der Schule, und wenn sie nach Hause kamen, standen wir immer auf und kochten ihnen etwas zu essen. Meine Liebe galt vor allem der pädagogischen älteren Frau in ihr. Sie nahm mich zum Billardspielen mit in ihren Club, wo sie mich einigen sagenhaften Saufnasen vorstellte, aber auch Slim Galliard, der mich tief beeindruckte. Sehr unwahrscheinlich, dass noch viele Leute am Leben waren, denen Kerouac zwei Seiten in On the Road gewidmet hatte. Kerouac schildert, wie Slim in San Francisco frei herumassoziierte -»Great-all-oroonie, oroonirooni« - und währenddessen fast unhörbar mit den Fingerspitzen seine Bongos schlug, unterbrochen von Dean Moriarty, der auf der Rückbank »Weiter so!« und »Jawoll!« brüllte. Slim sah immer noch gut aus, war elegant und besaß die Höflichkeit eines wahren Gentlemans. Ich hatte noch nie einen Mann gesehen, der so feine Anzüge trug. Sheridan und ich aßen mit ihm zu Abend, doch seine Liebe galt den Frauen - dies war der Mann, der Little Richard gekannt und Affären mit Ava Gardner, Lana Turner und Rita Hayworth gehabt hatte.
    Aber als ich Ajita von meiner kurzen Rückkehr zu Sheridan erzählte, schien meine Untreue ihr kaum etwas auszumachen. Eifersucht war doch das Chili der Liebe, und eigentlich hatte ich erwartet, ihre Zunge würde so heftig brennen, dass

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