Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
Vom Netzwerk:
Sogar mehr denn je.«
    »Ja?«, sagte sie. »Genau darum habe ich deinen Schutz so sehr gebraucht, Jamal. Genau darum habe ich das Gefühl gebraucht, geliebt zu werden. Und das habe ich von dir bekommen. Mein einzigster Liebster, du bist so gut zu mir gewesen.«
    »Und du zu mir. Du bist mein Leben. Ich möchte dich heiraten.«
    »Wirklich?« Sie verzog den Mund. »Ich dich auch. Aber im Moment wäre das wohl eher unpassend.«
    »Wie hat die Sache mit deinem Vater angefangen?«, fragte ich.
    »Nachdem Mutter nach Indien gereist war, kam Dad eines Nachts in mein Zimmer und hat sich zu mir ins Bett gelegt. Er hat mich geküsst, erotisch, mit der Zunge, und dann hat er sich auf meinem Bauch gerieben, bis er gekommen ist. Danach ist er verschwunden. Er war wie in Trance, wie einer dieser Geister bei Shakespeare - starrer Blick, ruckartige Bewegungen. Wie jemand, der hypnotisiert ist oder im Schlaf wandelt... In der nächsten Nacht hatte ich schreckliche Angst, dass er es noch einmal tun könnte, und deshalb bin ich wach geblieben, hatte Licht an und habe Musik gehört.«
    »Und was ist passiert?«
    »Er ist noch einmal gekommen. Er hat meine Tür geöffnet. Die Musik hat gedröhnt, und alle Lampen waren blendend hell! Ich trug zwei Schlüpfer, zwei Hosen, einen Pullover und einen Mantel. Ich habe geschwitzt und muss sehr merkwürdig ausgesehen haben. Ich hatte sogar einen dämlichen Hut auf, warum, weiß ich auch nicht. Du hättest mich sehen sollen! Er hat mich einmal angeschaut, dann ist er gegangen. Also habe ich mich ziemlich erleichtert ins Bett gelegt. Schlafen konnte ich allerdings nicht.
    Ein paar Nächte ist er dann nicht mehr gekommen. Ich dachte schon, ich hätte ihn abgeschreckt. Bis es wieder passiert ist.« Sie sagte, es passiere immer noch. »Auch wenn ich eine Tonne Kleider tragen würde - er reißt mir alles vom Leib. Dadurch dauert es noch länger. Inzwischen drücke ich mir nur noch ein T-Shirt aufs Gesicht, damit ich ihn nicht sehen oder riechen muss.«
    »Ajita, warum versperrst du nicht deine Tür?«
    »Sie hat kein Schloss.«
    »Das kann man problemlos einbauen. Wolf und ich können das erledigen - heute noch.«
    »Nett von dir, aber das geht nicht«, sagte sie. »Meinen Vater ausspe rren? Er würde sich umbringen.«
    »Was könnte besser sein?«
    »Nein!«, schrie sie.
    »Hast du denn einen triftigen Grund zu der Annahme, dass er es tun würde?«
    »Er hat schon einmal damit gedroht. Er sagt, wenn der Streik die Fabrik ruiniert, müsse er seinem Leben ein Ende setzen. Er könne nicht noch einmal neu anfangen. Wenn er vor seiner Familie versagen würde, wäre die Schande zu groß für ihn.«
    »Das ist glatte Erpressung, Ajita.«
    »Ich muss mich um ihn kümmern.«
    »Ja, aber nur als Tochter. Du bist doch nicht seine Frau, zum Teufel. Er ist ein Faschist und ein Ausbeuter.« »Du kennst ihn nicht.« »Er vergewaltigt dich jeden Tag.«
    »Nein, er wendet keine Gewalt an. Und jetzt sei still. Ich ertrage das nicht.«
    »Ich auch nicht.«
    Zu ihrem Entsetzen schnappte ich mir meine Sachen und ging. Das musste ich erst einmal sacken lassen. Mit Mum konnte ich nicht darüber reden, denn sie würde in Panik geraten. Der einzige Mensch, der ausreichend Erfahrung hatte, um diese Angelegenheit zu verstehen, war Miriam. Aber ihre Launen waren unberechenbar und hingen stark von den Drogen ab, die sie gerade konsumierte.
    Am nächsten Tag schnitt Ajita das Thema von selbst an. Sie sagte: »Siehst du, ich höre auf dich.« Sie konnte die Tür ihres Schlafzimmers zwar nicht verschließen, hatte aber einen Keil unter die Klinke gestellt. »Ich habe ihn gehört«, sagte sie. »Ich schlafe ja kaum noch. Du meinst, ich würde erschöpft aussehen, aber das Zubettgehen ist ein Albtraum. Ich habe wie üblich seine Pantoffeln vor der Tür gehört. Sie machen so ein klatschendes Geräusch, und deshalb weiß man immer, wo er sich gerade im Haus aufhält. Dann hat er an die Tür gepocht.
    Je kräftiger er gestoßen hat, desto fester saß der Keil. Das hat ziemlich lange gedauert, dieses Stoßen und Drücken. Dann hat es aufgehört. Später habe ich ein Schnarchen gehört. Er schlief im Flur. Ich bin aus meinem Zimmer gegangen und habe ihn zugedeckt. Er hat gezittert. Er hätte dort sterben können ...«
    »Red keinen Unsinn.«
    »Er braucht meine Wärme.«
    »Dafür hat er seine Frau.«
    »Sie weist ihn ab. Sie hält ihn für einen Vollidioten.«
    »Erwähnt dein Vater nie, was nachts passiert?«, fragte ich.
    »Beim

Weitere Kostenlose Bücher