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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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Frühstück ist er immer gleich, verkatert, wortkarg, hat schlechte Laune und will schnell wieder zur Fabrik. Er fragt uns höchstens, ob wir am College etwas lernen oder nur sein Geld verplempern. Oder er will wissen, wann wir endlich unser eigenes Geld verdienen.« Sie sagte: »Jamal, du darfst niemals, niemals einem anderen Menschen von dieser Sache erzählen. Versprich mir das - versprich es mir bei dem Leben deiner Mutter.« »Versprochen.«
    Ich fand keinen Schlaf. Ich lag in meinem Bett und dachte an das, was Ajita mir erzählt hatte. Ich stellte mir ihren Vater vor, der wie in Trance durch den Flur zu ihrem Schlafzimmer ging, die Tür öffnete, zu ihr ins Bett stieg und ihre Beine auseinanderdrückte. Manchmal hätte ich am liebsten onaniert, um dieses Bild loszuwerden, vor allem, da sie mir erzählt hatte: »Sein Penis ist so riesig. Er füllt mich aus.«
    »Kommst du denn bei ihm?«, fragte ich sie. Wenn wir Sex miteinander hatten, sagte sie immer: Ich komme so gern; lass mich kommen; ich möchte die ganze Zeit kommen, ich bin immer feucht, wenn ich bei dir bin.
    »Du bist wirklich ein beklagenswerter Idiot«, erwiderte sie. »Aber wer wollte dir das unter diesen Umständen vorwerfen? Es tut mir so leid, ich schäme mich so sehr und fühle mich so hilflos.«
    Eines Nachts, als ich wieder einmal keinen Schlaf fand, stand ich auf. Ich zog mich automatisch an und verließ das Haus. Auch ich war wie in Trance, und die ganze Welt schien stillzustehen, sie war wie gefroren.
    Ich kletterte über den schmiedeeisernen Zaun in den Park und ging durch die ruhigen Straßen zu Ajitas Haus, vorbei an den Autos und dunklen Häusern, bis ich schließlich den wohlbekannten Zaun erreichte.
    Dort wusste ich nicht mehr weiter. Ich blieb draußen stehen, schaute zu den Fenstern auf und fragte mich, ob ich vielleicht gerade eine geisterhafte Gestalt gesehen hatte, die durch das Haus irrte. Was, wenn er in diesem Moment meine Freundin fickte und gleich beim Orgasmus aufschreien würde? Wenn ich an der Tür klingelte oder klopfte, würde ich ihn bei seinem teuflischen Vergnügen stören. Er würde vielleicht glauben, es wäre die Polizei, und das würde ihn aus seiner Trance reißen. Ich stand da, meine Faust schwebte dicht vor der Tür, ich war bereit, mit aller Kraft zu pochen und sofort abzuhauen, aber ich konnte mich nicht dazu durchringen, auf diese Weise in ihr Leben einzubrechen. Vielleicht lenkte mich auch das Licht im Zimmer von Ajitas Bruder ab. Ich war überzeugt, dass er mich beobachtete, hinter dem Vorhang versteckt. Da ich Angst hatte, er könnte gesehen haben, wie ich mitten in der Nacht das Haus umschlich, und außerdem befürchtete, er würde es seinem Vater erzählen, der mich dann verprügeln oder verhaften ließ, ergriff ich die Flucht.
    Im Laufe der nächsten paar Tage ging ich noch dreimal hin, war aber wie gelähmt.
    Krank vor Schlafmangel, gesellte ich mich am College zu Ajita, immer in der Hoffnung, sie könnte auf einmal wieder die Alte sein. Ich wollte den gleichen Spaß mit ihr haben wie früher, doch der Makel konnte nicht getilgt werden. Wir redeten, wir schliefen miteinander und suchten die vertrauten Orte auf, aber wir hatten unsere Unschuld verloren. Wenn wir Sex miteinander hatten, fragte ich mich, ob sich das Gesicht ihres Vaters über das meine legte. War ich auch nur ein männliches Monster, das sich an diesem Mädchen verging? Wenn ich dies dachte, lief nichts mehr, und wir lagen hilflos nebeneinander. Man konnte die Zeit nicht zurückdrehen. Aber vielleicht, dachte ich, gab es einen Weg voran. Daran arbeitete ich unbewusst, obwohl ich mir das noch nicht eingestehen mochte.
    Ich nannte ihn »Hitler«. Der Mann, der nicht lockerließ. Der Mann, dem »alles« nicht reichte. Der Mann, der mich zu einem Terroristen machte. Das Böse war in mein Leben gestampft wie ein durchgeknallter Erzschurke. Es verlangte danach, dass man ihm die Stirn bot. Wir würden keine Opfer sein. Entweder er oder ich.
    Als welche Art Mann würde ich mich am Ende erweisen?
    VIERZEHN
    Henry war mir von einem befreundeten Schriftsteller vorgestellt worden. Dieser hatte ein Stück von Genet übersetzt und wollte gern, dass es von Henry in Brüssel auf die Bühne gebracht wurde. Da ich einige Inszenierungen von Henry kannte, begleitete ich meinen Freund zu dem Treffen, das in der dämmrigen Bar eines Hotels im Zentrum von London stattfand - einem jener stillen, holzvertäfelten Orte, in denen man das Gefühl hat, gar nicht in

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