Das Sakrament
oder der Klage zugesehen, wie alles, was ihm gehörte, zu Asche verbrannte.
Sollte dieser Mann wirklich ihr Ehemann werden? Sollte sie seine Frau werden?
Seine Liebschaft mit Amparo, die ungezügelte Erotik seines Verhaltens und der Gefühle, die er in ihren eigenen nächtlichen Gedanken geweckt hatte, all das hatte in Carla einen Widerstreit entfacht, den sie kaum noch beherrschen konnte. Der Mann hatte ein Recht auf seine Leidenschaften. Er war ein Glücksritter und ein Mann der Welt. Was konnte sie sonst von ihm erwarten? Er hatte ihr auch keine romantischen Versprechungen gemacht. Diese Ehe war ein Vertrag, so leidenschaftslos wie die Geschäfte, die er mit Bauholz und Blei abschloß. Aber konnte das wirklich sein? Hatte sie in ihm nicht doch noch etwas anderes gespürt? Oder hatte er nur ihre Furcht vor körperlichen Beziehungen bemerkt? Diese Furcht saß tief, und Carla rührte nie daran, denn eswäre unmöglich gewesen, darüber nachzudenken und nicht wieder die Erinnerungen an Ludovico heraufzubeschwören.
Ihre körperliche Leidenschaft für Ludovico war in jeder Beziehung genauso ekstatisch und ungezügelt gewesen wie Amparos Leidenschaft für Mattias. Vielleicht sogar mehr, denn die beiden hier hatten keine Grenzen des Anstands überschreiten müssen, während sie und Ludovico jegliche Regel gebrochen hatten, sei sie weltlich oder geistlich. Diese Überschreitung hatte ihrer Liebe eine trunkene Intensität verliehen, die sie so nah an den Rand des Wahnsinns getrieben hatte, daß sie es nun nicht wagte, sich noch einmal in die Nähe zu begeben. Nein, nicht nur an den Rand des Wahnsinns, sondern auch in eine Tragödie, die ihr und das Leben ihrer Familie ruiniert hatte, die sie um ihr namenloses Kind gebracht hatte und nun die Menschen bedrohte, die sie liebte. Bei dieser Erinnerung wurde ihr wieder übel vor Furcht und Schuldgefühlen. Diese Erinnerung erweckte aber auch erneut ihre schmerzlichsten körperlichen Sehnsüchte. Trocken wie Bauholz und Blei, so sollte ihre Ehe mit Mattias werden. Sie würde ihm eine altjüngferliche Ehefrau sein und keine weitere Unruhe hervorrufen, und wenn er trotz ihrer schwindenden Hoffnung ihren Sohn finden sollte, dann wäre das ein Ergebnis, für das sie Gott ewig dankbar wäre.
Trotzdem quälte sie die Eifersucht.
Carla wollte, daß Amparo glücklich war. Es erfüllte sie mit Freude, ihre Gefährtin so froh zu sehen. Gleichzeitig träufelte dieser Anblick bittere Säure in ihr Herz. Es widerte sie an, wie derb ihre Phantasien waren: Ja, Carla wünschte sich, sie wäre es, die in der Nacht unter Tannhäusers muskulösem Körper stöhnte. Sie sehnte sich nach Zärtlichkeiten, Küssen und liebevollen Blicken. Sie wünschte, er hätte ihr einen silbernen Kamm vom türkischen Basar mitgebracht. Sie haßte sich selbst für diese Kleingeistigkeit. Um sich zu schonen, hatte sie angefangen, Amparo aus dem Weg zu gehen. Allerdings konnte man Amparo nicht übelnehmen, daß sie sich einem solchen Mann hingegeben hatte. Für Amparo war Mäßigung das gleiche wie Zügel für einwildes Pferd. Das Mädchen hatte Tragödien erlebt, neben denen ihre eigene unbedeutend war. Wenn jemand solches Glück verdiente, dann Amparo. Darin war Gott wahrhaftig groß und allwissend. Er hatte Carla diese Prüfung auferlegt, um ihre Seele zu stärken. Sie würde diese Prüfung bestehen. Der Faden, der sie drei miteinander verbunden hatte, war zart, und ringsum tobten gewaltige Kräfte. Carla betete, sie möge nicht diejenige sein, die die Verbindung zerstörte. Ganz gleich, was sie fühlte, sie würde nichts zwischen die beiden kommen lassen. Das war, begriff sie nun, der wahre Grund, warum sie nun im Hospital war. Dort waren Probleme wie Eifersucht unwichtige Kleinigkeiten.
Die Dämmerung brach herein. Die Mönche zündeten Lampen an, welche die ganze Nacht hindurch brannten, um die Kranken vor Trugbildern, Zweifeln und Schrecken zu bewahren. Die beiden dienenden Brüder, denen man die Nachtschicht zugeteilt hatte, gingen mit einer Kerze in der einen und einem Krug in der anderen Hand von Bett zu Bett. »Wasser und Wein von Gott«, sagten sie zu jedem Patienten.
Kurz vor Einbruch der Dunkelheit kam La Valette zu Besuch. Er sprach wenig und verströmte keine Wärme, und doch war seine Gegenwart eine Inspiration für die verwundeten Männer, die beinahe alle aus dem Krankenbett aufgestanden waren und vor ihm salutiert hatten. Der Großmeister bemerkte Carla, die neben Angelu saß, und zog kurz
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