Das Sakrament
gebohrt. An seinem Turban steckte eine Brosche aus Rubinen in einer Weißgoldfassung. Tannhäuser nahm auch die Brosche an sich. Als er wieder aufs Pferd stieg und die Muskete an seinen Schenkel lehnte, erhaschte er einen Blick auf Escobar de Corro, der seine Augen auf den langen tiefblauen Gewehrlauf gerichtet hatte, als wäre es ein Preis, den er für sich selbst reserviert hatte. Er schaute kurz Tannhäuser in die Augen, und der hielt einen Augenblick inne, um ihm die Gelegenheit zum Sprechen zu geben. Escobar schwieg jedoch, und Tannhäuser machte kehrt. Die Sonne stand nun über dem Horizont. Bis zum Einbruch der Nacht hoffte Tannhäuser das Boot besorgen zu können, das ihn von dieser Insel der Fanatiker und Narren forttragen würde. Er streichelt Buraqs Hals mit plötzlicher Trauer.
Auf türkisch sagte er: »Ich kann dich nicht mitnehmen, alter Freund, aber wem soll ich dich anvertrauen? Den Christen oder den Türken?«
S AMSTAG , 9. J UNI 1565
Im Heiligen Hospital – In der Herberge von England
Carla tauchte einen silbernen Löffel in eine Silberschale und führte Brühe an die Lippen des armen Mannes. Er machte den Mund auf und schluckte die Brühe, aber weder hungrig noch mit Genuß, denn er war bereits jenseits all dieser Gefühle. Er hieß Angelu, war Fischer und würde nie wieder in See stechen, denn er war blind, und seine Hände ähnelten Klumpen von geschmolzenem Wachs.
Wie unzählige andere Schwerverwundete hatte man ihn aus der Festung St. Elmo evakuiert, nachdem der Einbruch der Nachtden achtstündigen türkischen Angriff beendet hatte. Griechisches Feuer, das seine eigenen Kameraden auf die Türken geschleudert hatten, war auf dem Kopf des Fischers gelandet. Als er sich die brennende Paste aus dem Haar kratzen wollte, hatte er sich beide Hände bis auf die Knochen verbrannt. Nun saß Angelu zusammengesunken auf einem Stuhl, in der am wenigsten qualvollen Lage, die er finden konnte. Die verkohlte Wölbung seines Schädels saß ihm wie eine furchtbare Haube über den Ohren, und der giftige Gestank, der davon ausging, übertraf alle aufgebrachten Salben. Angelu hatte bereits die Letzte Ölung empfangen, und Pater Lazaro erwartete nicht, daß er eine weitere Nacht überleben würde. Carla glaubte auch nicht, daß Angelu es wollte.
Lazaro hatte sie am Morgen ins Heilige Hospital geleitet. Carla hatte zwar darum gebeten, hier dienen zu dürfen, aber sie war ängstlich gewesen. Sie hatte sich Sorgen gemacht, ob ihre Fertigkeiten und ihr Wissen ausreichen würden, und hatte sich vor den ernsten Gesichtern der Ordensbrüder gefürchtet und vor der Festung des Hospitals selbst. Ein Teil von ihr wünschte sich, daß sie sich nicht über ihre Nutzlosigkeit beklagt hätte. Sie verachtete diesen Zustand, und doch vergingen die leeren Tage rasch. Es war so leicht, nur auf die Welt zu starren, bis der Sonnenuntergang einen Schleier darüber breitete. Lazaro hatte sie ins Hospital geleitet wie zum Galgen. Zumindest hatte sie sich so gefühlt. Tatsächlich war diese Herausforderung dann doch überaus schrecklich gewesen.
Der große Krankensaal war zweihundert Fuß lang und hatte nach Süden hin eine Reihe von Fenstern mit Fensterläden. Der Torbogen des Eingangs war mit maltesischem Stein eingefaßt. Über dem Bogen waren die Worte Tuitio Fidei et Obsequium Pauperum eingemeißelt, das Motto des Ordens, das sie als Verteidiger des Glaubens und Diener der Armen kennzeichnete. Zwei Reihen von je fünfzig Betten standen einander zu beiden Seiten des Mittelgangs gegenüber. Alle Betten hatten einen roten Betthimmel mit Vorhängen, gute Matratzen und feine Leintücher. Rüstungen, Kleidungsstücke und Waffen lagen in Haufen unter den Betten.Die Patienten aßen von silbernem Geschirr, denn die Mönche legten großen Wert auf Reinlichkeit. Der Boden war aus Marmor und wurde dreimal am Tag geputzt. In Weihrauchfässern brannte Tyrusholz, um die Luft zu reinigen, den Geruch der Verwesung zu verdrängen und die Fliegen zu vertreiben. Am anderen Ende des Raumes befanden sich ein Altar, an dem zweimal am Tag die Messe gelesen wurde, und dahinter ein Kruzifix. An der den Fenstern gegenüberliegenden Wand hing die hochverehrte Fahne, unter der die Ritter ihre Festung auf Rhodos verlassen hatten. Sie zeigte die Jungfrau Maria und das Christuskind über dem Motto Afflictis Tu Spes Unica Rebus .
In all unseren Anfechtungen bist Du unsere einzige Hoffnung .
Pater Lazaro erklärte ihr, dies sei das beste Krankenhaus der Welt,
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