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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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mit ebenso hervorragenden Chirurgen und Ärzten. »Unseren Herren, den Kranken«, sagte Lazaro, »fehlt nichts, was wir ihnen geben können. Hier im Heiligen Hospital schlägt das wahre Herz des Ordens.«
    Die Wolken des Weihrauchs, die gemurmelten Gebete, die ehrerbietige Konzentration der Mönche, die von Bett zu Bett gingen, um die Wunden ihrer Herren Kranken zu reinigen und zu verbinden, verliehen dem Hospital die Atmosphäre einer Kapelle. Damit ging ein Gefühl der Ruhe einher, das man sich inmitten von so viel qualvollem Leiden kaum vorstellen konnte. So war Carla auch in der Lage, nach dem Schrecken ihrer ersten Begegnung mit der Qual fertigzuwerden.
    Nach der Flut von Verletzten, welche die letzten Tage gebracht hatten, war der Krankensaal beinahe voll. Obwohl man jeden Tag im Morgengrauen Leichen aus dem Saal trug und Verwundete entlassen wurden, sobald ihr Leben nicht mehr gefährdet war, würde schon bald der Raum knapp werden. Wie Angelu waren die meisten Patienten junge Männer aus der maltesischen Miliz oder spanische Tercios . Nur wenige von ihnen würden je wieder vollständig gesunden. Lazaro und seine Helfer hatten unzählige Amputationen und Schädeloperationen durchgeführt, hatten die zahlreichen Gesichtswunden repariert, so gut sie konnten. Diejenigen, derenGedärme durchstochen oder durchschossen waren, lagen steif wie Bretter da, keuchten leise und wanden sich zusehends blasser in Todesqualen. Am schlimmsten litten jedoch die Soldaten, die ungeheure Brandwunden erlitten hatten. Immer noch dröhnten von jenseits der schützenden Mauer die Kanonen.
    Bei ihrer Ankunft hatte Carla sich Hände und Füße im Lavatorium zu waschen und ihre Füße in Schlappen zu kleiden, damit sie keinen Staub von der Straße hereinbrachte, denn Sauberkeit war gottgefällig. Sie durfte weder Wunden noch Verbände berühren. Sie konnte Essen, Wein und Wasser reichen, durfte aber die Patienten nicht waschen. Wenn Kranke Wasser lassen oder Exkremente ausscheiden mußten, sollte sie sich an einen der Ordensbrüder wenden. Wenn sie frische Blutungen, Fieber oder Pusteln bemerkte, sollte sie einem der Ordensbrüder Bescheid sagen. Wenn ein Mann um die Beichte oder das Altarssakrament bat oder dem Tode nah zu sein schien, sollte sie einen der Ordensbrüder herbeirufen. Sie sollte leise und sanft sprechen. Sie sollte die Herren Kranken, so gut es ging, zum Beten anhalten, nicht für ihre eigene Seele, sondern für den Frieden, für den Sieg, für den Papst, für die Befreiung Jerusalems und des Heiligen Landes, für den Großmeister, für die Brüder im Orden, für die Gefangenen, die dem Islam in die Hände gefallen waren, und für ihre eigenen Eltern, ganz gleich, ob sie noch am Leben oder schon gestorben waren. Die Kranken standen Christus am nächsten, und deswegen waren ihre Gebete die mächtigsten, mächtiger noch als die der Kardinäle in Rom.
    Lazaro führte Carla durch den Krankensaal. Ihr war bewußt, daß alle Augen auf sie gerichtet waren. Die dienenden Klosterbrüder blickten schockiert. Die Verwundeten schauten, als sei ihnen in ihrem Alptraum eine himmlische Erscheinung gekommen. Einige der erfahrenen alten Kämpen leckten sich die Lippen und seufzten. Carla spürte, wie sie errötete, und ihre großartigen Vorsätze kamen ins Wanken. Was konnte sie hier schon ausrichten? Sie war von mehr nacktem Schmerz umgeben, als je unter einem einzigen Dach versammelt sein dürfte. Trotzdem wollte sie verdammtsein, wenn sie sich nun zurückzog. Sie war nicht ungerüstet gekommen, sagte sie sich. Sie hatte ihren Glauben, der stark war. Sie hatte viel Liebe zu geben. Sie hatte sogar ein Quentchen Hoffnung. Sie stählte sich und ging aufrecht und stolz. Dann blieb Lazaro stehen und stellte ihr den armen Angelu vor. Stumm, blind, hilflos. Über alle grausamen Vorstellungen hinaus entstellt.
    Carla begriff: Angelu sollte die Prüfung für ihre Hingabe sein.
    Den ganzen Tag lang saß Carla bei ihm. Der Mann sprach kein einziges Wort. Auf einige Fragen antwortete er mit einem stummen Nicken, auf andere schüttelte er den Kopf. Die Fragen waren einfach, denn ihr Maltesisch war schlecht. Obwohl sie hier aufgewachsen war, hatte man diese Sprache lediglich für Gespräche mit den Dienstboten und Stallknechten verwendet. Nun schämte sie sich dafür, und doch erfüllte ihre Stimme seinen verzerrt daliegenden Körper mit ein wenig Leben. In dem dunklen Foltergemach, das sein Leib für ihn geworden war, hatte er klare Gedanken. Carla

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