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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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hereinkam, und stillte ihre Tränen.
    Es war La Valette.
    Er kniete sich neben sie ans Geländer und verfiel sofort in ein tiefes Gebet. Er hatte sie nicht erkannt. Er schien beinahe in Trance zu sein. Carla dachte an die vielen Dinge, die sein Gewissen belasteten, an seine Angst um die Menschen auf Malta und um die Männer, die er täglich über den Hafen in den Tod schickte. Carla schaute zum Bildnis der Madonna auf und fragte sie um Rat.Nach den schweren Arbeiten der vergangenen Tage stand Mattias ein wenig Ruhe zu. Daher wartete Carla, bis er aufgestanden war, ehe sie mit ihm sprach. Er blieb bis zum Nachmittag im Bett, und sie fragte sich, ob er ein Schlafmittel eingenommen hatte. Vielleicht war er ja auch mit Amparo beschäftigt. Der Gedanke an die beiden verursachte ihr immer noch Übelkeit, aber dafür tadelte sie sich und nicht die anderen. Als Mattias schließlich auftauchte, schien er niedergeschlagen zu sein. Sie trafen sich allein im Refektorium, wo er ohne großen Appetit aß. Sie sprachen über dies und das, ehe er sie nach ihren Plänen fragte.
    »Mein richtiger Platz auf der Welt ist hier«, antwortete sie.
    Er nahm diese Worte mit einem grimmigen Blick in seine Kaffeetasse hin. Die Tasse war winzig und wunderschön und sah in seinen Händen überaus zart aus. »Orlandu kommt nicht zurück«, sagte er, »zumindest nicht unversehrt.«
    »Mein Platz ist hier, ob ich Orlandu je wiedersehe oder nicht.« Tannhäuser war kein Mann, der so leicht niedergeschlagen war. Es schmerzte Carla, ihn so mutlos zu sehen, besonders, da es um sie ging. Sie streckte die Hand zu ihm aus und berührte seinen Handrücken. »Ihr wollt, daß ich die Insel verlasse, und ich begreife warum – .«
    »Das bezweifle ich sehr.« Seine Stimme war kühl. »Ihr habt noch nie gesehen, wie die Türken eine Stadt plündern. Ihr würdet stundenlang vergewaltigt, vielleicht tagelang. Dann würde man Euch, wenn Ihr Glück habt, töten. Wenn nicht, dann würdet Ihr verkauft und in ein Bordell in Nordafrika verschifft.«
    Carla zuckte zusammen. »Aber es ist unmöglich, Malta zu verlassen.«
    »Habt Ihr das Vertrauen zu mir verloren?« fragte er.
    Sie lächelte, aber er lächelte nicht zurück. »Nein, ich habe mein Vertrauen nicht verloren, doch Gott hat mir eine Berufung geschenkt, die ich mein ganzes Leben lang gesucht habe. Deswegen muß ich hierbleiben.«
    »Wir sind von Berufenen umzingelt«, meinte Mattias. »Sie hacken einander in Stücke, während wir noch reden.«
    »Ich werde niemanden in Stücke hacken«, sagte Carla. »Ich möchte nur den Menschen dienen – denen, die in der Nachfolge Christi leiden. Ich nehme alles an, was die Vorsehung für mich bestimmt hat. Mein Dienst ist wie ein Sakrament. Sacramentum , das bedeutet eine heilige Pflicht.«
    Tannhäuser drehte sich um, kippte den Kaffeesatz aus der Tasse und füllte sie aus der Kupferkanne nach. Dann starrte er in den Kaffee und wich ihrem Blick aus. Sie wußte, daß er sie für eine Närrin hielt, aber diesmal hatte er unrecht.
    »Mattias, bitte, hört mich an.« Er schaute zu ihr. »Ihr habt alles Menschenmögliche getan. Ihr habt mich auf eine große Reise gebracht, Ihr wart mein Beschützer und mein Begleiter. Ich habe meinen Sohn gesucht und ihn wieder verloren, aber ich habe auch etwas anderes bekommen – etwas unendlich Kostbares, das ich nicht zu finden erwartete.« Sie erinnerte sich an ihr erstes Gespräch im Rosengarten. »Ich will es die Gnade Gottes nennen.«
    Mattias nickte wortlos.
    »Wenn meine Suche nach Orlandu mir diese Erkenntnis gebracht hat – über meine eigene Seele, meinen Platz in Gottes Herz und in Seiner Schöpfung –, dann will ich sie nicht als vergebens betrachten. Und das solltet auch Ihr nicht tun.«
    »Und Amparo?« fragte er. »Muß sie auch bleiben und mit den Fanatikern sterben?«
    »Ich bin keine Fanatikerin.«
    »Ich spreche von denen, die miteinander diese Stadt in Schutt und Asche legen werden.«
    »Amparo war immer frei. Ich habe ihr nichts zu befehlen. Sie liebt Euch.« Carla zögerte. »Und ich liebe Euch, ich liebe Euch beide.«
    Mattias zuckte zusammen, als machten diese Worte seine Last nur noch schwerer.
    »Und was unseren Handel angeht«, fügte sie hinzu, »so werde ich Euch Euren Wunsch gern erfüllen. Wir könnten heiraten, ehe Ihr die Insel verlaßt, und die nötigen Papiere aufsetzen. Dann hättet Ihr Euren Titel.«
    Er winkte ab. »Über derlei Kleinigkeiten sind wir hinaus. Ihr verdient einen besseren Partner als

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