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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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und fuhr ihr mit den Fingern durchs Haar. Eine Brust schmiegte sich wie von selbst in seine Hand, und er seufzte aus tiefster Seele, als die Wonne ihn übermannte, und doch irritierte ihn ihre Nachfrage. Er war es nicht gewohnt, solche Fragen von ihr gestellt zu bekommen.
    »Amparo, woher weißt du von den Kanonen?« erkundigte er sich.
    Sie sagte: »Orlandu hat mir davon erzählt.«
    Plötzlich verging Tannhäusers Erregung. Er schob sie zurück und erhob sich. »Orlandu?« fragte er. »Wer ist Orlandu?«
    »Mein Freund vom Hafen. Ich habe dir doch von ihm erzählt.Er hält dich für einen großen Helden und möchte dich kennenlernen.« Er erinnerte sich schwach daran, aber er hatte dem keine Aufmerksamkeit geschenkt. Amparo sprach weiter. »Er war heute hier im Refektorium. Bis vor einer Stunde hat er noch mit uns zu Abend gegessen.«
    »Wie alt ist dein Freund?«
    »Er sagt, er sei fünfzehn Jahre alt, ist sich aber nicht sicher.« Amparo verstand seine Aufregung. »Er glaubt nicht, daß er Carlas Sohn ist, und Carla glaubt es auch nicht.«
    Tannhäuser war immer noch unruhig. »Sein Familienname?«
    »Orlandu di Birgu.«
    Er lachte trocken. Die Vorstellung, bald von der Insel zu entkommen, schwand, statt dessen erfüllte ihn Furcht.
    »Wer ist der Mann am Tisch, dem ein Arm fehlt?«
    »Orlandus Freund Tomaso.«
    »Warte hier«, sagte Tannhäuser. Er stemmte sich über den Rand.
    »Bist du wütend?«
    »Im Gegenteil. Hab Geduld.«
    Er eilte zur Tür der Herberge und bemerkte, daß er das Handtuch zurückgelassen hatte. Er kam im Refektorium an, als Bors schallend lachte. Der Engländer blickte auf, als Tannhäuser eintrat.
    »Das Spiel hat sich gewendet!« brüllte Bors. Die Schweißbäche auf seinen Wangen sahen wie Freudentränen aus. »Die ausgleichende Gerechtigkeit hat ihr Meisterstück geliefert.«
    »Weck den Malteser!« befahl Tannhäuser.
    Bors reagierte auf den bestimmten Ton, lehnte sich zu dem schlafenden Mann und rammte ihm einen seiner dicken Finger in die Rippen. Tomaso fuhr auf, schaute verwirrt auf seine Umgebung, erschrocken über die nasse, nackte Gestalt, die im Schatten lauerte.
    »Orlandu Boccanera«, sagte Tannhäuser.
    Tomaso schaute sich am Tisch um, als wollte er auf ihn zeigen, und seine verschwommenen Augen suchten im Dunkel, als er ihn nicht finden konnte.
    Tannhäuser sagte auf italienisch. »Wo wohnt er? Wo ist Orlandus Haus?«
    Tomaso schaute sich hilfesuchend um.
    »Ich weiß, wo Orlandu schläft«, sagte Amparo. Ihr Kopf war im Türrahmen erschienen. Sie war in ein Handtuch gehüllt.
    »Gut«, antwortete Tannhäuser. »Wir ziehen uns sofort an.«
    Als er sich abwandte, sagte Tomaso etwas, das keiner von ihnen verstand. Er zeigte auf eine Stelle am Fußboden bei der Wand. Tannhäuser ließ die Faust auf den Tisch krachen. »Bors?«
    Der Engländer drehte sich um, schaute hin und sagte: »Da haben Tomasos Schwert und Rüstung gelegen.« Er blies die Backen auf. »Ich würde sagen, der junge Orlandu hat sie wohl mitgenommen.«
    Wieder sagte Tomaso etwas. Das Wort »St. Elmo« kam darin vor.
    Tannhäuser schaute Bors an. »Sag mir, daß ich mich gerade verhört habe.«
    Bors strich sich mit dem Finger über den Schnurrbart. »Nun ja, der Bursche war Feuer und Flamme, wollte sich in den Kampf stürzen. Ich schätze, wir haben das Feuer noch weiter angefacht.«
    »Er ist zwölf Jahre alt«, sagte Tannhäuser.
    »Im Küraß und mit einem Helm auf dem Kopf würde er erwachsen genug aussehen. Er wäre nicht der erste, der ein falsches Alter angibt. Ich muß sagen, der Junge hat eine rasche Zunge, wenn er will.«
    Tannhäuser spürte, wie sich ihm alle Eingeweide umdrehten.
    Er befahl: »Du kommst mit mir zum Kai von St. Angelo!«
    »Aber das Spiel!« jammerte Bors. »Ich habe ihn beinahe in die Knie gezwungen!«
    Tannhäuser rannte in seine Zelle, um seine Stiefel und seine Hose zu holen.
    Tannhäuser und Bors rannten durch die engen Straßen. Zwischen dem mit Zinnen bewehrten Hauptwall und der Silhouette des Kastells St. Angelo lag die Stadt in Finsternis. Als sie sich der Festung näherten, hörte man Stimmen und lautes Stöhnen. Sieüberholten Männer, die die Verwundeten des Tages auf Bahren im Fackelschein hereinholten. Die evakuierten Krieger zeichneten sich nicht nur durch ihre Wunden aus, sondern sie hatten alle eine Leere im Blick, als hätten die Schrecken ihnen etwas Kostbares geraubt. Tannhäuser und Bors eilten weiter.
    Das Kastell St. Angelo stand, von Birgu durch einen Kanal

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