Das Sakrament
mich. Ihr habt Euch einer edlen Sache verschrieben. Wollt Ihr meinen Segen?«
»Es gibt nichts, was ich mehr wünschen könnte.«
Er warf ihr sein altes Lächeln zu. »Dann soll er Euch gewährt sein, frei und von ganzem Herzen.« Er stand auf. »Aber da sind einige Angelegenheiten, die ich für mich selbst bedenken muß.« Er verneigte sich mit der schlichten Höflichkeit, die sie schon früher gerührt hatte. »Würdet Ihr mich entschuldigen?«
Auch Carla erhob sich. »Natürlich. Ich muß ohnehin ins Hospital.«
Mattias bot ihr seinen Arm. »Dann bitte ich um die Ehre, Euch begleiten zu dürfen.«
Carla legte ihm die Hand auf den Arm. Sie hatte gefürchtet, sie würde ihn nie mehr wiedersehen. Sie sehnte sich noch immer nach seiner Liebe, doch hatte sie ihren Frieden mit sich gemacht. Mehr konnte sie nicht verlangen.
Als sie im Hospital ankam, teilte ihr Lazaro mit, daß Angelu gestorben war.
Tannhäuser und Bors saßen zwischen den Zinnen der Bastion von St. Angelo wie zwei jugendliche Müßiggänger, ließen die Füße hoch über dem klaren blauen Wasser hundert Fuß weiter unten baumeln. Sie teilten sich eine Lederflasche Wein und einen Krug Oliven und beobachteten, wie die Sonne hinter dem Monte Scribberas unterging. Der ockerbraune Rauch der Belagerungskanonen legte einen höllischen Schleier über die Sonnenstrahlen. Vom Cavalier hinter der Tribüne spuckten die Kanonen eine Salve Eisen herüber. Auf der anderen Seite der Bucht schien die Festung St. Elmo kaum mehr als ein Schutthaufen aus zerbröckelnden Mauersteinen zu sein, und doch waren die verbliebenen Männer hinter den Mauern voller trotziger Verteidigungsbereitschaft.
»Es ist paradox«, sagte Tannhäuser, »daß Männer, die sich dem Tod verschrieben haben, so zäh am Leben hängen.« Er dachte anCarlas Worte vom Sacramentum , der heiligen Pflicht, mit der ursprünglich eigentlich die Kriegspflicht gemeint war.
»Ruhm«, meinte Bors. Er schaute Tannhäuser an, dessen Herz plötzlich voller Traurigkeit war.
»Alle sterblichen Bande zerrissen, alle moralischen Schulden gestrichen«, fuhr Bors fort. »Nicht Lob oder Ehre oder Berühmtheit, sondern Verzückung, ein Vorgeschmack auf das Göttliche – das ist Ruhm.« Er nahm einen Schluck Wein, wischte sich die Lippen. »Du kennst diese Freude mindestens so gut wie ich. Leugne, solange du willst, dann nenne ich dich eben einen Lügner.«
»Ruhm ist ein Augenblick, den man nur in der Hölle erfahren kann.«
»Das mag schon sein, aber was sonst auf dieser Welt läßt sich schon damit vergleichen? Geld? Macht? Die Liebe der Frauen?« Bors schnaubte verächtlich. »Einen Augenblick lang, ja, aber wenn man einmal dieses helle Licht gesehen hat, dann scheint alles andere finster.«
Tannhäusers Trübsal hatte andere Gründe. »Dieses Jungen habhaft zu werden ist, als wollte man Läuse zwischen den Beinen eines anderen fangen. Unangenehm, gefährlich und ohne Aussicht auf ein versöhnliches Ende.«
»Die Läuse finden gewöhnlich von allein zu dir, und der Junge war ja schon nah.« Bors nahm einen weiteren riesigen Schluck und bot Tannhäuser die Lederflasche an, der nur den Kopf schüttelte. »Wir machen uns also auf nach Kalabrien? Und die schönen Damen kommen mit?«
»Nachdem sie zu Unserer Lieben Frau von Philermo gebetet hat, ist Carla entschlossen, daß ihr Platz auf Erden hier ist, hier in Birgu. Göttliche Vorsehung, Gottes Gnade wird sie von nun an leiten. Sie wird sich für die Kranken aufopfern oder sonst einen Unsinn tun.« Er wedelte mit der Hand. »So ungefähr hat sie sich ausgedrückt.«
»Nun, gegen die Vorsehung kann man ohnehin nichts machen«, meinte Bors. »Erinnere ich mich recht, oder hat ein Pfund Opium den Weg zu Lazaros Tür geebnet?«
Tannhäuser brauchte diese Erinnerung nicht. Seine Gründe für dieses Angebot schienen ihm nun völlig unbegreiflich zu sein. »Ich habe sie gefragt, ob auch Amparo in diesem herrlichen Gottesstaat bleiben muß.«
»Und?«
»Amparo steht frei, zu tun, was sie will.«
»Das sind doch gute Nachrichten«, sagte Bors. »Alle sind zufrieden, scheint mir, und du kannst mit reinem Gewissen und einem prächtigen Mädchen am Arm davonziehen.«
Tannhäuser runzelte die Stirn. »Wenn ich je die Stimme Gottes hören sollte, wäre sie mir im Augenblick gerade höchst willkommen.«
»Du bist also nicht zufrieden.«
Tannhäuser spähte über die Bucht. Seit Anbruch des Tages stand St. Elmo unter dem Beschuß der Scharfschützen und der
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