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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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in Öltuch eingeschlagen, verschiedene Medikamente und Lotionen, zwei Flaschen Branntwein, ein halbes Dutzend Krüge mit süßen eingelegten Früchten – Quitten, Aprikosen und Erdbeeren. Er dachte nicht lange über die Möglichkeit nach, daß er vielleicht diese Leckereien selbst verzehren müßte. Carla war noch nicht vom Hospital zurückgekehrt, und er war es zufrieden, so um alle Erklärungen und Abschiedsworte herumzukommen.
    »Was machst du?«
    Er wandte sich zu der leisen, melodischen Stimme um. Seine Eingeweide krampften sich zusammen. Amparo stand da im gelben Licht und Schatten an der Tür seiner Mönchszelle. Er lächelte. »Wo ich hingehe, sind zwei Dinge kostbarer als alles andere, während Gold und Edelsteine wertlos wie Dreck werden. Kannst du raten, was das für Dinge sein könnten?«
    Ohne Zögern antwortete sie: »Musik und Liebe.«
    Er lachte. »Jetzt hast du mich im Rätseln geschlagen, und ich bin sicher, du hast recht. Meine Antwort ist nicht so poetisch.« Er hievte den Rucksack auf das Bett, wo schon seine Rüstung zusammengepackt lag. »Dinge, die Schmerzen lindern, und Dinge, die süß schmecken. Zumindest kann ich die in einen Sack stecken.«
    »Sind in der Hölle Musik und Liebe nicht willkommen?«
    Er schritt zu ihr hinüber. Ihre Augen waren schwarz und ohne Furcht. »Im Gegenteil, der Teufel selbst begehrt nach ihnen.«
    »Geh und bringe Orlandu aus diesem Krieg wieder zurück«, sagte sie.
    Tannhäuser nickte. »Kannst du ein Geheimnis für dich behalten?«
    »Besser als jede andere.«
    Zu seiner Überraschung stellte er fest, daß er das nicht bezweifelte. »Danach plane ich, dem Krieg zu entkommen und nach Italien zurückzukehren. Kommst du mit?«
    »Ich gehe, wohin du willst.«
    Amparo schwankte, als müßte sie gegen den Wunsch ankämpfen, sich an ihn zu drücken. Er zog sie am Arm in das Zimmer, packte sie bei der Taille und preßte sie gegen die Wand. Sie hob den Kopf, und er küßte sie. Sie schloß die Augen nicht. In ihrem Blick standen unzählige Fragen. Vielleicht spiegelten sie seine eigenen wider. Andere Begierden hatten sie schon vor einer Stunde befriedigt, und doch schwoll seine Lust wieder an. Er ließ Amparo los, ehe ein Rückzug unmöglich war, und trat einen Schritt zurück.
    »Wann kommst du zurück?« fragte sie.
    »Morgen abend.«
    Er schulterte den Rucksack und nahm die zusammengepackte Rüstung und sein Radschloßgewehr, frisch eingeölt und mit Zündpulver gefüllt. Die Pistole hatte er in der Kiste gelassen. Er zeigte auf die Damaszener Muskete, die immer noch in die Decke eingewickelt war und an der Wand lehnte. Die kunstvoll verzierte ottomanische Pulverflasche und der Beutel mit den Kugeln hingen auch daran.
    »Würdest du mir die Waffe bringen?« fragte er.
    Im Refektorium war Bors über seinem Wein ins Grübeln geraten. Als Tannhäuser seine Sachen auf den Tisch wuchtete, schaute er voller Absicht nicht auf.
    »Nun, das ist ja ein schöner Abschied für einen alten Freund«, meinte Tannhäuser.
    Bors blickte finster drein und schob ihn mit der Hand weg.
    Tannhäuser nahm Amparo das in die Decke gewickelte Gewehr ab. »Da du ohnehin immer deine Meinung sagst, möchte ich sie jetzt hören.« Er warf die Muskete quer über den Tisch.
    Bors stand auf und fing sie mit beiden Händen auf. Seine Augen glänzten. Er legte das Paket hin und schnürte die Bänder auf. Er wickelte die Decke ab, und als das Silber, das Ebenholzund der Stahl zum Vorschein kamen, seufzte er wie ein Kenner. Die Waffe sprang ihm gleichsam in die Hand, als wäre sie lebendig. Bors legte sie an, visierte und schwenkte sie in einem Bogen durch das Zimmer, wobei die silbernen Verzierungen und der breite Damaszener-Lauf im Licht über den Lampen blitzten.
    »Vollkommen«, murmelte er. »Vollkommen und von unschätzbarem Wert.« Er ließ das Gewehr sinken und legte es mit größter Mühe wieder auf die Decke. »Einzigartig. Hervorragend. Damit könnte ich auf fünfhundert Fuß Entfernung einem Muselmanen die Eier abschießen.«
    »Es gehört dir«, sagte Tannhäuser.
    Bors starrte ihn an, und Tannhäuser meinte, seine Lippe beben zu sehen. Die Hände des Engländers bewegten sich langsam und zögerlich zu der Muskete, schwebten dann unentschlossen über ihr. »Bist du sicher? Wenn ich sie noch einmal in die Hand nehme, bekommst du sie nur über meine Leiche zurück.«
    Tannhäuser nickte. »Die Waffe wird dir in St. Elmo gute Dienste leisten.«
    Bors packte das Gewehr und streichelte es

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