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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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daß sein guter Freund Orlandu eine bessere Aufgabe verdiente, als eine schwere Wanne zwischen den Linien hin und her zu schleppen …
    Seltsame Hörner jaulten auf. Erschöpfte Jubelrufe und obszöne Flüche waren zu hören. Anscheinend hatte man den türkischen Angriff zurückgeschlagen. Orlandu dankte der Muttergottes. Nun könnten sich die Truppen ihr Brot und ihren Wein vielleicht selbst holen. Die drei Männer blickten den Hang hinauf, wo die meisten Verteidiger sich bereits in geordneten Rängen zur Seite bewegten, um eine Lücke in der Mitte zu öffnen. Tannhäuser und Bors reichten einer Ordonnanz ihre langen Gewehre und streiften ihre Panzerhandschuhe über. Dann zogen sie ihre Schwerter und lockerten ihre Schultern. Ein erneutes Hornsignal, diesmal eine Trompete der Christen. Trillerpfeifen. Banner mit verschiedenen Insignien flatterten und zeigten ihre Kompanien an. Le Mas’ Truppe bildete einen Keil, dessen Spitze auf die Lücke in der Bresche oben an dem Hang zielte. Einen Moment später preschte die Reserve die Böschung hinauf, durch den Vorhang aus ockerfarbenem Rauch.
    Sollte das heißen, daß die Schlacht noch nicht vorbei war? Wären die Türken so wahnsinnig, noch einmal zurückzukehren? Orlandu packte seine Wanne und taumelte an der Mauer entlang.
    Der Trupp, den Le Mas befehligte, verteilte sich über die gesamte Bresche, und die Männer, die hier bis Mitternacht ausgehalten hatten, zogen sich zurück. Die vorrückenden Spanier töteten die verwundeten Türken mit ihren Piken, wo sie lagen, und schoben die Leichen in den Graben. Durch das Gefecht gedeckt, hatten die türkischen Schanzgräber einige Abschnitte des Grabens aufgefüllt. Außerdem hatten sie Brücken aus Schiffsmasten über den Graben gelegt. Draußen waren inmitten stinkender Rauchschwaden ungefähr vierhundert Leichen aufgetürmt. Manch einer regtesich noch und murmelte Abschnitte aus dem Koran. Jenseits der Gefallenen beobachtete Tannhäuser Gruppen von Yerikulu vom Feld humpeln, die ihre schwerer verletzten Kameraden zwischen sich mitschleppten, während sie sich zurückzogen und gewiß den Zorn ihres Agas über sich ergehen lassen mußten.
    Bors sagte: »Deine Janitscharen haben beschlossen, etwas früher zu Abend zu essen.«
    Tannhäuser schüttelte den Kopf und zeigte auf die grünen Gewänder und weißen Turbane, die im Graben lagen. »Das sind reguläre Fußtruppen, es sind Azebs der Yerikulu . Die Janitscharen kommen als nächste.«
    Bors zeigte: »Was soll das da?«
    In zwanzig Schritt Entfernung hatten Ordonnanzen am Fuß der Bresche in einigem Abstand voneinander riesige Wannen aufgestellt und an den Rändern Fußbrücken aus Planken festgenagelt. Sie füllten sie mit Meerwasser aus Fässern, die sie auf einem Karren mitgeführt hatten.
    »Wenn du eine Portion griechisches Feuer abbekommen hast«, sagte Le Mas, »springst du zur Abkühlung in die Wanne.«
    Er deutete auf die Brustwehren zu beiden Seiten der Bresche, wo die Mannschaften, die für das griechische Feuer zuständig waren, ihre Geschosse präparierten. Schwefel, Salpeter, Leinöl, Ammoniaksalze, Terpentin, Pech und Naphtha. Die Türken fügten noch Weihrauch hinzu, die Venezianer zerstoßenes Glas und Aqua Vita . An die Mauern der Brustwehr hatten die Mannschaften Feuerwerfer aus Messingrohren aufgestellt, die man an Piken befestigt und mit einer entzündbaren Flüssigkeit gefüllt hatte. Man zündete die Flüssigkeit an und richtete die Rohre auf den Feind. Ebenso waren Kisten voller Feuertöpfe in der Nähe der Zinnen aufgestellt worden. Die Türken nannten diese Brandgranaten Humbaras : Es handelte sich um faustgroße, mit griechischem Feuer gefüllte Tontöpfe, die mit Papier versiegelt waren, durch das eine Lunte herausragte. Die tückischste Feuerwaffe hatte angeblich La Valette selbst erfunden: Reifen aus pechgetränktem Rohr, die man in Branntwein und Petersöl getränkt,dann mit Wolle umwickelt und in die gleichen brennbaren Flüssigkeiten getaucht hatte, die auch in den Feuerwerfern benutzt wurden. Sobald sie angezündet waren, schleuderte man sie mit Zangen auf die heranrückenden muslimischen Truppen, wo sie furchtbare Zerstörungen anrichteten.
    Tannhäuser packte Bors und zog ihn an eine Stelle in der Front, wo sie etwas weiter von den Feuersbrünsten entfernt waren.
    Ein Topf mit Kampferbalsam wurde herumgereicht. Sie rieben sich die Salbe in die Bärte, um den Gestank zu übertönen. Kurzes, hustendes Feuer von Scharfschützen krachte über

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