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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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ihren Köpfen. Einer der Tercios wurde ins Gesicht getroffen. Seine Kameraden zerrten ihn wieder auf die Beine und schickten ihn taumelnd in die hinteren Reihen zurück.
    »Gebt mir mehr Platz«, sagte Bors.
    Er brauchte Raum, um den zwölf Zoll breiten Knauf und die gewellte Sechzig-Zoll-Klinge seines deutschen Beidhänders zu schwingen. Er wirbelte das Schwert ein paarmal um den Kopf, um seine Muskeln und Sehnen anzuwärmen. Die Klinge pfiff in einem großen Achternbogen über ihm durch die Luft. Mit der eleganten Geschicklichkeit einer Dame, die ihren Fächer zusammenfaltet, ließ Bors das riesige Schwert sinken und stellte es zwischen den Füßen ab.
    Tannhäuser zog seine Panzerhandschuhe über und untersuchte das Schwert, das er von der Kapelle mitgebracht hatte. Die Klinge war im Schnitt rautenförmig und drei Fuß lang. Er schätzte, daß sie etwas über zwei Pfund wog. Italienisch, hoffentlich aus Mailand. Er berührte die Klinge mit der Zunge und schmeckte Blut, spürte aber keinen Schmerz. Er schritt zu dem Haufen von Waffen, den die Ordonnanzen aus der Bresche zusammengesammelt hatten. Er suchte sich einen fünf Pfund schweren Streitkolben mit einem Stahlschaft und sieben angesetzten Schlagblättern aus. Ans obere Ende war noch eine fünf Zoll lange dornenbewehrte Spitze geschraubt. Nun ging er zurück in die vorderste Linie und wandte sich dem Mann zu seiner Rechten zu, einem kleinen, kräftig gebauten Veteranen mit harten Augen.
    Tannhäuser hob zum Gruß das Schwert. »Mattias Tannhäuser.«
    Der Ritter erwiderte die Geste. »Guillaume de Quercy.«
    Der Mann neben Guillaume, ein hakennasiger Provenzale, der zwei Kurzschwerter schwang, verneigte sich ebenfalls: »Agoustin Vigneron«, sagte er.
    Mit dieser knappen Vorstellung war ihre Bruderschaft besiegelt. Einen Gascogner auf der einen und einen Engländer auf der anderen Seite – mehr konnte er sich nicht wünschen. Die Mehterhane -Kapelle der Janitscharen begann zu spielen. Schalmeien, Kesselpauken und Glocken. Selbst nach all den Jahren gab es kaum einen Klang, der sein Blut mehr in Wallung brachte. Trompeten erschallten. Das Banner des heiligen Johannes wurde aufgezogen. Weiß schimmerte das Kreuz im Mondlicht. Ein Kaplan hob eine Ikone von Christus Pantokrator mit einer Hand in die Höhe, läutete mit der anderen Hand eine Glocke und begann das Angelus-Gebet zu sprechen.
    »Angelus Domini nuntiavit Mariae.« – »Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft.«
    Ave Marias wurden aus vielen Kehlen gebetet, riefen die Macht der Heiligen Jungfrau an.
    »Bitte für uns, heilige Gottesmutter!«
    »Auf daß wir würdig werden der Verheißungen Christi.«
    »Allmächtiger Gott, gieße Deine Gnade in unsere Herzen ein.«
    Die Ritter aus der vordersten Linie kletterten den Geröllhang bis zum blutgetränkten Grat hinauf. Tannhäuser gesellte sich zu ihnen. Er war der einzige Mann, der kein Gebet auf den Lippen hatte, denn ihm schien, daß jede Gottheit, die es wert gewesen wäre, daß man sie anrief, die unbändige Freude verdammen würde, die sich in seiner Brust ausbreitete, und daß alle Götter der Gnade diese lange Nacht hindurch fest schlafen würden.
    Die Ritter und Feldwebel nahmen die vorderste Linie ein. Die etwa dreihundert spanischen und maltesischen Soldaten rückten hinter ihnen nach, und die Spitzen ihrer Halbpiken und Speere füllten die Lücken in dieser Wand aus Rüstungen auf. Tannhäuser musterte den Boden zu seinen Füßen, trat ein wenig loses Geröllzur Seite, merkte sich die Unebenheiten und stellte den linken Fuß vor. Das Schwert in der rechten Hand hielt er gesenkt, und den Schaft des Streitkolbens hatte er auf die Hüfte gestützt. Aufmerksamkeit war nun das wesentliche. Aufmerksame Beobachtung seiner eigenen Umgebung, deren Grenzen von den Männern rechts und links von ihm vorgegeben wurden. Tannhäuser ermahnte sich noch einmal, regelmäßig und tief zu atmen. Das vergaß man im Eifer des Gefechtes leicht. Atmen. Haltung. Fußarbeit. Unter seiner Rüstung strömte ihm der Schweiß aus allen Poren. Sein Mund war wie ausgetrocknet. Er hatte an der engsten Stelle eines türkischen Damms Posten bezogen. Sie war knapp drei Mann breit, ein Stück unebenes Terrain vor dem Laufgraben. Tannhäuser stand an der äußersten linken Seite. Der Gascogner Guillaume war ein wenig jenseits der Mitte postiert, und Agoustin Vigneron schützte die äußerste rechte Position. Links von Tannhäuser stand Bors am Rand des Grabens. Der

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