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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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einzigartige Fröhlichkeit, aus der sich Tannhäuser ausgeschlossen fühlte. Er tafelte mit Wahnsinnigen. Dann fragte Hauptmann Miranda, kein Ordensritter, sondern ein spanischer Abenteurer, Tannhäuser nach seiner Meinung.
    »Wie das arabische Sprichwort schon sagt«, erwiderte er, »besiegt ein Heer von Schafen, das von einem Löwen angeführt wird, immer ein Heer von Löwen, das von einem Schaf angeführt wird.«
    De Guaras wollte schon vom Tisch aufspringen, bis er begriff, daß Tannhäuser sie keineswegs beleidigen wollte.
    Tannhäuser fuhr fort: »Wenn Mustafa mehr Geduld hätte und listiger wäre – dann würde er einige wenige Geschützstellungen auf dem Berg halten, die er bestens verteidigt, zusätzlich zu denen am Galgenpunkt. Mit dem größten Teil seines Heeres aber würde er weiterziehen, um Birgu zu belagern. Dann könnte er diese Festung in aller Ruhe aus drei Richtungen beschießen. Ihr würdet keine weiteren Verstärkungstruppen bekommen, Eure Moral würde bald schlechter werden, und der reife Apfel würde ihm vom Baum in den Schoß fallen. Daß er sich für St. Elmo entschieden hat, das der wichtigste Preis seiner dramatischen Angriffe sein soll, hat Euch ja zu so tapferer Gegenwehr angespornt. Wenn dies hier nur noch ein Nebenschauplatz wäre –« Er zuckte die Achseln.
    »Und?« fragte Le Mas. »Ist er ein so gerissener Hund?«
    »Nein«, antwortete Tannhäuser. »Mustafas Methoden stammen aus anderen Kriegen, aus längst vergangenen Zeiten. Er wird sich nicht mehr ändern. Mustafa läßt sich vom Zorn leiten, von dem Kitzel, den es ihm bereitet, wenn er andere Männer zum Sterben in die Schlacht schickt. Er wird diesen Angriff bis zum bitteren Ende weiterführen. Da Ihr seinen Gesandten ermordet habt – eine Beleidigung, die schwer zu übertreffen ist –, wird Mustafa nur noch fester entschlossen sein, diese Festung mit dem nächsten Angriff einzunehmen. Meiner Schätzung nach wird dieser Angriff in kaum mehr als drei Tagen erfolgen.«
    Eine düstere Stimmung senkte sich herab. Tannhäuser glaubte, nun sei der beste Augenblick gekommen, um sich zu verabschieden.
    Le Mas schlug ihm freundschaftlich auf den Rücken. »Übrigens ein bewundernswerter Schuß«, meinte der Franzose. »Habt ihn abgeschossen wie ein Rebhuhn.«
    »Auf die Entfernung hätte ich ihn mit diesem Tisch hier treffen können«, erwiderte Tannhäuser.
    Le Mas lächelte. »Ich habe nicht Eure Zielsicherheit gelobt, sondern Eure Entschlossenheit.«
    Rings um den Tisch breitete sich wieder Heiterkeit aus. Man erhob die Gläser. Tannhäusers Versuch, sich davonzumachen und zu den Booten zu schleichen, war vereitelt. Branntwein wurde hervorgeholt, und man überredete ihn, ihnen von den Feldzügen in Nachtschiwan und in den Sümpfen der Schiiten zu berichten, ihnen den Tempel von Jerusalem zu beschreiben, den keiner der Anwesenden je gesehen hatte, und von Suleiman Schah zu erzählen. Alle Vorurteile der Ritter wurden bestätigt, als sie hörten, daß Suleiman den verrufenen Eunuchen des Serails befohlen hatte, seine eigenen Söhne und deren Söhne zu erwürgen. Sie waren höchst verwundert, als sie entdeckten, wie sehr die heiligen Regeln und Gebräuche der Janitscharen ihren eigenen glichen, und gerührt, als sie erfuhren, daß Tannhäuser einst die Farben der Janitscharen getragen hatte. Die Edlen sahen ihn nun mit anderen Augen an, und Tannhäuser fühlte sich nicht mehr so fremd in ihrer Gesellschaft. De Guaras fragte ihn, warum er die Janitscharen verlassen hatte, und Tannhäuser tischte ihm die Lüge auf, er habe Jesus Christus wiederentdeckt. Nicht einmal Bors kannte den wahren Grund, denn von den vielen finsteren Taten, die Tannhäuser hätten beschämen können, war die Untat, die seinen Verrat bewirkt hatte, die verachtenswerteste.
    Als Tannhäuser schließlich mit leicht schwankenden Schritten ging, waren die Boote längst in der Dunkelheit verschwunden. Während er sich eine Bettstatt im Schutz der Kapelle richtete und Orlandu sich wie ein wachsamer Hund zu seinen Füßen einrollte,verspürte er eine große Trauer um die ehrwürdigen Männer des Ordens. Sie waren alt im Geiste, weil sie an eine Welt und einen Traum gefesselt waren, die längst vergangen waren. Tannhäuser dachte an Amparo, und in seinem Herzen machte sich ein anderer Schmerz breit. Er dachte auch an Carla, an ihr rotes Seidenkleid und ihr Märtyrerherz, und er dachte an Sabato Svi in Venedig und das Geld, das sie scheffeln würden. Beim Einschlafen

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