Das Sakrament
Schiff brach Tumult aus, als es getroffen wurde. Holz splitterte, Menschen schrien, die Ruderer geriet ins Schlingern. Dann explodierte das Faß mit dem griechischen Feuer wie ein grellgelber Vulkan. Die Bucht wurde in gleißendes Licht getaucht. Ein Feuerregen prasselte hernieder. Geschosse sirrten durch die Luft, die auch die Menge am Kai trafen. Panik brach aus. Alle versuchten sich in Sicherheit zu bringen. Schmerzensschreie schrillten durch die Nacht, als die Weidenzäune an der Ausfallpforte niedergetreten wurden. Tannhäuser versuchte sich einen Weg zu einer Stelle zu bahnen, die weiter vom Meer entfernt lag. Dann landeten zwei faustgroße Feuerkugeln mitten in der Menge. Das Chaos vergrößerte sich noch. Während die einen zurückweichen wollten, drängte es die anderen, die vom Feuerregen getroffen worden waren, zum Wasser, um dort Erleichterung zu finden. Obschon er seine ganze Kraft einsetzte, wurde Tannhäuser zurückgedrängt. Er erhaschte noch einen Blick auf die strahlende Milchstraße, dann stürzte er rücklings ins Wasser.
Für einen Augenblick war es köstlich, im kühlen Naß zu treiben. Dann bemerkte er, daß er in den Fluten versank. Jemand klammerte sich an seinen Hals und zog ihn herab. Tannhäuser wehrte sich, bekam einen Tritt in den Bauch und schluckte Wasser. Er zerrte sich den Helm vom Kopf, ruderte mit den Armen und hatte völlig die Orientierung verloren. Unter ihm tat sich das Nichts auf. Panik durchzuckte ihn rasch und kurz wie ein Blitz. Wasser drang ihm in Mund und Nase. Die Schwärze, in die er eintauchte, umfing ihn warm und weich. Es machte plötzlich nichts mehr aus, daß er nicht atmen konnte. Er spürte sogar etwas wie Erleichterung, die er nie für möglich gehalten hätte. Bilder von Amparo kamen und schwanden. Dann hörte er, wunderschön und glockenklar, die Stimme seiner Mutter, die seinen Namen rief: »Mattie!«
Das war es also, dachte er. Das war mein Leben. Habe ich es so schlecht gelebt?
Er dachte: Du hättest es schlechter machen können, aber dazu hättest du dich mächtig anstrengen müssen.
Als Tannhäuser wieder zu sich kam, lag er mit dem Gesicht auf einem Stein. Es war dunkel, und er hatte das Gefühl, als hämmere jemand auf seinem Rücken herum. Salzwasser schoß ihm aus dem Mund und brannte ihm in der Nase. Er merkte, daß er noch am Leben war und daß der Ort, an dem er sich aufgehalten hatte, so voller Frieden gewesen war, daß es nur sein Tod gewesen sein konnte. Das Hämmern auf seinen Schultern wurde ihm unerträglich. Unter Aufbietung aller Kräfte gelang es ihm, mit dem Ellbogen hinter sich zu schlagen. Er traf auf einen harten Gegenstand, und das Hämmern hörte auf. Hände rollten ihn auf den Rücken. Keuchend und erschöpft lag Tannhäuser da. Orlandu, dem das Wasser aus den Haaren troff, schaute zu ihm herunter und lächelte.
»Eine Wanne mit Brei durch den Schlamm schleifen?« fragte er fröhlich. »O ja, das kann ich, und einen fetten Klotz aus dem Wasser zerren.«
F REITAG , 15. J UNI 1565
Auf Amparos Felsen
Amparo saß auf einem zerklüfteten Felsvorsprung der Insel von St. Angelo und beobachtete, wie zwei offenbar von Gewehrkugeln schwer beschädigte Langboote über die schwarz-silberne Bucht zurückkehrten. Sie zitterte in der Kühle der Nacht. Das Herz schmerzte ihr in der Brust, und sie fühlte sich verloren und allein, was sie allerdings verwunderte. Eigentlich war ihr das Alleinsein wie ein vertrautes Heim.
Sie wußte, daß Tannhäuser wie in den Nächten zuvor wieder nicht auf einem dieser Boote sein würde. Sie hatte sie alle beobachtet, seit Bors zurückgekehrt war. Kein Schlag der Ruder, kein Kräuseln des Wassers war ihr entgangen. Warum Bors und nicht Tannhäuser? Die blutige Ladung der Boote, die nun an ihr vorüberzogen, die Explosion, die den Hafen taghell erleuchtet hatte, all das sagte ihr, daß von nun an die verzweifelte Festung jenseits der Bucht auf sich allein gestellt war, ohne jede Hilfe oder Verstärkung. Doch sie wußte auch, daß Tannhäuser noch lebte. Erst vor wenigen Augenblicken hatte sie sein Gesicht gesehen. Er hatte einen großen Frieden gefunden, und er hatte gewollt, daß sie es erfuhr. Dann war er wieder verschwunden, und sie hatte Angst verspürt, weil sie ihn in ihrem Herzen nicht mehr finden konnte und glaubte, er müsse tot sein. Wenig später jedoch hatte sie ihn wieder gespürt. Nicht mehr in diesem tiefen Frieden, aber er lebte immerhin. In diesem Augenblick begriff Amparo, daß er leben
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