Das Sakrament
erinnerte er sich noch daran, daß er sich von diesen edlen Rittern nicht verführen lassen durfte. Schließlich frönte diese Bruderschaft lediglich einem Totenkult. Von solchen Gemeinschaften hatte er mehr als genug.
Am folgenden Tag, Freitag, dem 15. Juni, erneuerten die Türken ihr Bombardement. Die Bäckerei wurde zerstört. Achtzig Pfund schwere Kanonenkugeln schlugen auf dem Festungshof ein. Hinter die Brustwehren und bröckelnden Kurtinen geduckt, rannten die Verteidiger umher wie Ameisen. Niemand bezweifelte, daß das Ende nah war. Tannhäuser beschloß, sich noch in dieser Nacht davonzumachen.
Als die Dunkelheit hereinbrach, wurde er mit dem Feldwebel handelseinig, der die Einschiffungen am Kai überwachte. Ein paar Flüchtlinge, die sich ebenfalls einen Platz erhofft hatten, wurden ohne große Erklärungen bei der Ausfallpforte zurückgelassen. Orlandu taumelte tapfer die Treppen hinunter, beladen mit Tannhäusers Rucksack und Rüstung. Sie drängten sich zum Kai durch die Menge der Sklaven, welche die Bahren mit den Verletzten trugen, und erkämpften sich einen Platz, wo sie ihre Sachen abstellen konnten. Dann warteten sie darauf, daß die Langboote hereinkamen.
»Warum ziehen wir uns zurück?« fragte Orlandu.
»Zurückziehen?« höhnte Tannhäuser. »Du redest schon wie Bors. Wenn wir bleiben, sterben wir, und obwohl dieser Wunsch hier sehr beliebt zu sein scheint, gehört er nicht zu unserem Plan.«
»Alle hier werden sterben? De Guaras? Miranda? Medran?«Orlandu hielt inne, als sei er von seinen eigenen Worten wie betäubt. »Oberst Le Mas?«
Vielleicht hatte die Schlacht ihn so verwirrt, daß er seine Helden für unsterblich hielt.
»Alle«, antwortete Tannhäuser. »Sie haben sich dafür entschieden, es ist ihre Berufung, aber nicht meine, und deine sollte es auch nicht sein.« Er deutete über das Wasser. »Irgendwo jenseits von all diesem Wahnsinn wartet eine Welt, in der Männer wie wir Spuren hinterlassen können, die etwas Besseres sind als eine blumige Inschrift auf einem Grabmal. Keiner auf St. Elmo wird auch nur so viel hinterlassen.«
»Doch, ihre Namen.«
»Den wenigen, denen das gelingt, gönne ich es von Herzen. Ich bin heute schon älter, als Alexander je geworden ist, und das ist mir ein größerer Trost als ihm sein großer Name. Was immer sein Name auch wert sein mag, Alighieri hat ihn jedenfalls in die Abgründe der Hölle verbannt.«
»Alexander?« fragte Orlandu.
»Siehst du? Deine Unwissenheit ist eine Schande. Du bist für wenig mehr nutze, als eine Wanne durch den Schlamm zu schleifen. Ist das eine Fertigkeit, auf die man stolz sein kann?«
Das Licht in Orlandus Augen erlosch, und er neigte den Kopf, um zu verbergen, wie sehr es ihn verletzt hatte, daß sein angebeteter Held eine so geringe Meinung von ihm hatte. Tannhäuser spürte einen stechenden Schmerz. Es würde dem Jungen guttun. Damit er sich hohe Ziele stecken konnte, mußte er wissen, wo er stand.
»Deine Lebensfreude sollte sich mit meiner Erfahrung verbünden«, sagte er, »dann lernst du, daß es Freuden gibt, die mehr bedeuten als die Wonnen des Märtyrertums.«
Orlandu fuhr herum. »Was ist Euer Plan?«
»Unser Plan, mein Junge.«
Orlandus Gesicht hellte sich auf.
»Ja, unser Plan«, wiederholte Tannhäuser. »Aber wenn wir nicht von diesem Kai wegkommen, fallen wir beim ersten Hieb. Also später mehr von meinem Plan, hier kommt unser Boot.«
Das erste der drei Langboote war im Südosten aufgetaucht, die Ruder hoben und senkten sich und schimmerten silbern. Die Milchstraße glitzerte über dem Sternbild des Schützen, und der Mond, der erst seit zwei Tagen abnahm, war vor einer Stunde aufgegangen. Die Bucht hätte kaum heller sein können. Das Langboot war mit Männern und Vorräten beladen und mit einem brusthohen Faß mit frischem griechischem Feuer, das mittschiffs festgezurrt war. Plötzlich eröffneten die türkischen Musketen das Feuer.
Tannhäuser begriff sofort, daß dies der Zweck der neuen türkischen Palisade war, deren Position die Beobachter in der Festung verwirrt hatte. Es war eine Faschine aus Holzstapeln, Erde und Schanzkörben, die über den Osthang des Monte Sciberras bis ganz hinunter zum Ufer verlief. Hier hatten die Türken eine Batterie leichter Kanonen und eine Einheit von Tufekchi -Musketieren postiert. Auf diese Weise waren sie vor den Kanonen von St. Elmo und St. Angelo geschützt. Das Mündungsfeuer ihrer Gewehre zuckte über den Großen Hafen.
Auf dem vordersten
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