Das Sakrament
dürstete nach Blut.
Anacleto stand neben Ludovico auf dem Mauergang. Lunten glimmten entlang der Wälle, als huldigte man hier heimlich verbotenen Riten. Zwischen den Musketieren standen die Ritter vom Orden des heiligen Johannes, finster und grimmig, wie Wachtposten vor einem Land, zu dem nur Verdammte Zutritt haben. Ludovico wandte sich um und betrachtete den Sonnenaufgang. Vor dem Hintergrund des östlichen Himmels sah er die Silhouette einer Menschengruppe. Ein Handgemenge, und dann wurde eine ausgemergelte Gestalt vom Galgen auf der vordersten Bastion der Provence geworfen.
Einen Moment später explodierten in der Dunkelheit des düster aufragenden Berges die Mündungsfeuer, und ein Hagel von Metall und Steinen prasselte auf St. Michael herab. Ein gewaltiges Dröhnen schmerzte in Ludovicos Ohren. Er, auf den noch nie jemand geschossen hatte, hatte zu spät die türkischen Kugeln erkannt, die an ihm vorbeifegten. Im aufkommenden Morgenlicht sah er einen einsamen, verängstigten Hasen, der aus seinem zerstörten Bau in den Ruinen von Bormula floh. Das Tier rannte auf die Festung zu, als könnten sich dort jeden Augenblick die Tore öffnen, um ihm Schutz zu gewähren. Dann tauchte unmittelbar hinter dem Hasen und kaum langsamer eine wahnwitzige Horde auf, kam donnernd über das im violetten Schein liegende Ödland geprescht, die Waffen und Banner hoch erhoben und jaulend wie die Hunde zum Preise ihres Götzen und seines Propheten.
Kettenkugeln, Kartätschen und Kanonenkugeln wurden aus den Kanonen der Christen geschleudert, doch die Wellen des Todes, die in den Reihen der Moslems wüteten, konnten das Vordringen der türkischen Truppe nicht aufhalten. Sie kamen auf St. Michael zugestürmt, als wäre es das Tor zum Paradies. Sie trugen lange Sturmleitern, hatten sich aufgerollte Seile um die Schultern geschlungen und schleppten die unterschiedlichsten Waffen. Zu ihrer Begrüßung wurden Fässer mit siedendem Schweinefett auf die Zinnen gehoben. Die maltesischen Träger fluchten in ihrer seltsamen Sprache, nicht nur über die Dämpfe, die ihnen in die Augen drangen, sondern auch über die verletzten Kameraden, die sich zu ihrenFüßen am Boden wanden. Das laute Geschrei der Getroffenen hallte wenig später den ganzen Mauergang entlang wider, als wäre durch ein winziges Loch im Stoff der Schöpfung die Hölle hervorgebrochen und all ihre entflohenen Teufel hätten hier eine Zuflucht gefunden. Mit Macht und Furcht war Ludovico bestens vertraut.
Seit dem Fall der Festung St. Elmo hatte die gesamte Kriegsmaschinerie von Mustafa Pascha nur auf diesen Augenblick hingearbeitet. Man hatte die riesigen Geschütze und Schanzkörbe nach und nach abgebaut, sie die Hänge des Monte Scibberas hinuntergeschleppt und nach Santa Margharita, auf den Corradino und nach San Salvatore gebracht. Mustafas Pioniere hatten Gräben in den Sandstein gehauen, die im Zickzack durch Bormula und auf die Mauern von L’Isla zuliefen. Unter der Erde wurden Stollen zu den Grundfesten der Zitadelle vorgetrieben.
Weil die Batterien des Kastells St. Angelo seiner Flotte die Einfahrt in den Großhafen verwehrten, hatte Mustafa eingefettete Balken über den Bergrücken des Monte Scibberas anlegen lassen. Drei Tage lang schleiften nun seine schwarzen Sklaven, durch Peitschen angetrieben, zum ungläubigen Staunen und Entsetzen der Ritter, Dutzende von Kriegsgaleeren von der Bucht von Marsamxett über den Berg. Wenn die Schiffe über dem Berggrat aufgetaucht waren, glitten sie kurz darauf quietschend über die Planken hinunter. Seile und Ketten, die ihren rasanten Lauf bremsen sollten, ächzten unter der ungeheuren Anspannung. Manche rissen und mähten die Sklaven wie tödliche Sicheln nieder. Während die Schiffe in unstetem Lauf über die Bergflanke zum Wasser rutschten, rauchte unter ihren Kielen schwarz der Talg. Flammen züngelten auf, wenn sich das Fett entzündete. Als die Arbeit getan war, bedrohten achtzig mit Kanonen bestückte Galeeren die Festung am Ufer.
Aus allen Himmelsrichtungen, vom Hochland, aus dem Hafen und vom Galgenpunkt, wurden seit zehn Tagen die beiden Halbinseln, die noch im Besitz der Christen waren, von morgens bis abend aus türkischen Kanonen beschossen. In der völlig überfüllten Stadt waren bereits Dutzende von Frauen und Kindern zuTode getrampelt worden. Viele Häuser waren zerstört. Mittlerweile richteten sich alle türkischen Kanonen auf St. Michael.
Ludovico ignorierte die türkischen Geschosse und sah sich das
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