Das Sakrament
Boote zurückgedrängt hatten. Einige Moslems, die sich ergeben hatten, wurden im Sand niedergemacht. Diejenigen, die man halb ertrunken fand, wurden von den maltesischen Frauen im flachen Wasser niedergestochen. Die Nachricht, daß ihr Angriff vom Strand her fehlgeschlagen war, brach auch den Kampfesmut der Angreifer, die über Land gekommen waren. Del Montes Italiener trieben Hassem und seine Algerier von den Mauern zurück, machten dann einen Ausfall durch die Pforten und massakrierten in den Ruinen von Bormula jeden Moslem, der nicht schnell genug geflohen war. Die Sonne versank safrangelb und rosafarben hinter dem Monte Scibberas. Während Ludovico noch die letzten Boote der Moslems verschwinden sah, kreisten schon Schwärme von Geiern über dem mit Leichen übersäten Strand. In den Gewässern um die Halbinsel tanzten unzählige leblose Bündel auf den Wellen, und Schwimmer platschten vom Strand hinaus, um die im Wasser treibenden Toten um ihre Juwelen, ihr Silber und ihr Gold zu erleichtern. Tausende von Algeriern würden nie mehr heimkehren, doch der Orden hatte für diesen Sieg einenhohen Preis gezahlt. In der schmerzlichen Ermattung nach der Schlacht tauchte Del Monte neben Ludovico auf.
»Eine Schlacht ist ein schreckliches Geschäft.« Del Monte zuckte die Achseln. »Sie geht einem unter die Haut.«
Ludovico schaute ihn an. Ihm war schwindelig, ab und an wurde ihm schwarz vor Augen. Er erhob seine rauhe Stimme: »Mit Eurem Segen möchte ich mein Gelübde als Ritter vom heiligen Johannes ablegen.«
Dann gaben seine Beine unter ihm nach, und Del Monte mußte ihn festhalten. Einen Moment später kam Ludovico wieder zu sich. Er folgte den Blicken Del Montes und sah, daß seine Stiefel bis obenhin mit einer trüben Flüssigkeit und mit Blut angefüllt waren. Del Monte rief einen der jüngeren Ritter herbei und bat ihn und Anacleto, Ludovico ins Hospital zu bringen.
»Was Eure Aufnahme in den Orden betrifft«, sagte er, »so überlaßt das nur mir.«
Ludovico erinnerte sich kaum an den Gang zum Hospital, über die Bootsbrücke, die unter den Tritten der Lahmen und Verletzten schlingerte. Um sich einen Weg durch die Menge zu bahnen, hieben seine Begleiter mit der flachen Seite ihrer Schwerter um sich. Eine Frau gab ihm Wein aus einem Schlauch zu trinken. Er wußte nicht, warum. Als sie das Heilige Hospital erreichten, herrschte dort ein solches Chaos, daß seine Begleiter sich weigerten, ihn allein zu lassen. Dann meinte er in seinem benommenen Zustand zu begreifen, daß sie sich anschickten, ihn noch die wenigen Schritte bis zur Herberge von Italien zu schleppen. Als sie sich umwandten, blieb Ludovico stehen und wehrte ihre Hände ab.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Raums gewahrte er eine Frau, die sich über einen nackten, blutenden Mann beugte. Ihr Haar hing in losen Strähnen und klebte an den Blutstropfen, mit denen ihr Gesicht verschmiert war. Die Erschöpfung, die sich auf ihrer Stirn abzeichnete, konnte ihrer Schönheit keinen Abbruch tun. Ludovico versuchte sie zu rufen, aber die Stimme versagte ihm. Er beneidete den Mann auf dem Tisch beinahe. Mehr alsseine Müdigkeit, die ihm bis ins Mark gedrungen war, mehr als seine Wunden und der Schrecken, der seine Seele belastete, zwang ihn nun dieser Anblick auf die Knie.
Die Frau war Carla.
Während ihm erneut die Sinne schwanden und die jungen Ritter ihn fallen ließen, begriff Ludovico, daß er sie immer noch liebte. In ihm tat sich ein Abgrund auf, der so tief war wie die Ewigkeit. Er liebte sie, obwohl er damit seine Pflichterfüllung aufs äußerste gefährdete. Er liebte sie mit der gleichen düsteren Verzweiflung wie damals, als sie ihn schon einmal verzaubert hatte.
M ITTWOCH , 1. A UGUST 1565
In Birgu – Im Hospital – In der Herberge von England
Im Licht der Milchstraße lagen die Straßen von Birgu still und verlassen da. Es war bereits fast Mitternacht, als Carla das Heilige Hospital verließ. Der Geruch von Weihrauch hing in der Luft. In den letzten beiden Wochen wurden die Nächte stets von türkischen Bombardements zerrissen, und während sie durch die Straßen ging, hielt Carla nach Deckung Ausschau. Immer wieder krachten unvermittelt Kanonenkugeln durch die Dächer der überfüllten Hütten. Das Heilige Hospital hatte bereits mehrere Treffer abbekommen. Manchmal hüpften Kanonenkugeln über das Kopfsteinpflaster der engen Straßen. Erst nachdem einige schreckliche Unfälle passiert waren, hatten die wenigen verbliebenen
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