Das Sakrament
Blutbad an, das unter den moslemischen Horden angerichtet wurde. Er folgte dem Beispiel von Admiral del Monte, Zanoguerra und Melchior de Roblès, die alle mit dem finsteren Gleichmut von Sargträgern die Flugbahnen der Kanonenkugeln und das von ihnen angerichtete Unheil betrachteten. Von ihrer Bastion aus konnte man den Hafen sowie Bormula sehen und den Ansturm überblicken, der vom Land und vom Meer heranrollte. In der vordersten Front des Angriffs standen die Algerier.
Hassem, der Vizekönig von Algerien und erfolgreicher Belagerer von Oran und Mers-el-Kebir, war in der Vorwoche mit fünftausend Gazis und den Korsaren von El Louck Ali eingetroffen. Nun dirigierte er den Angriff von der Anhöhe von Margherita auf die landseitigen Mauern von St. Michael. Sein Leutnant Candelissa führte die Truppen, die über das Wasser gekommen waren, von den Ufern der Marsa-Ebene in Richtung Westen. In Dutzenden von Langbooten kamen diese Soldaten durch die schäumende Gischt, die Ruderblätter und Waffen blitzten in der aufgehenden Sonne, und im Bug deklamierten die Imame Suren des Korans.
Das Ufer von L’Isla war mit einer Palisade aus angespitzten Pfählen befestigt, die man in den Meeresboden getrieben und mit Ketten verbunden hatte. Diese Sperre rammten die Langboote mit höchster Geschwindigkeit. Die Ketten quietschten, die Pfähle kippten um und verstrickten die Boote in ein tödliches Netz. Mit einer Salve nach der anderen bestrichen die Hakenbüchsenschützen der Christen die landenden Truppen, aber die fanatischen türkischen Kämpfer stemmten sich mit einer Seelenruhe durch die treibenden Ruder und Leichen, die Ludovico höchst erstaunlich erschien. Sie schleppten Leitern durch die von den Kugeln aufgepeitschte Gischt und versammelten sich am Strand. Ihre Schilde hatten sie miteinander verschränkt, zum Schutz gegen den Hagel von Kugeln und brennenden Feuertöpfen. Am Strand entrollten sie ihr Banner mit dem Stern und dem Halbmond. Candelissa scharte die Gläubigenum sich, und schon bald erhob sich ein Schwarm schwarzer Pfeile im hohen Bogen in die Morgendämmerung. Auf seinen Befehl hin begannen die Algerier ihren Ansturm auf die Mauern von L’Isla.
Ludovico trug eine Halbrüstung bis zum Beinharnisch. Sein pechschwarzer Rückenschild – ein fürstliches Geschenk von Michele Ghislieri – stammte von Filippo Negroli in Mailand. Die Geschiebe dieser Rüstung waren so vollkommen, daß er kaum weniger Bewegungsfreiheit als in seiner Kutte hatte. Als Priester durfte er kein Blut vergießen, aber Papst Pius hatte ihm einen Dispens in foro interno gegeben, um bei diesem Kreuzzug mitzukämpfen. Wie eine ungeheure Plage von Ungeziefer strömten die Algerier über den Graben und fielen über die Mauern her. Siedendes Öl schwappte rauchend auf sie herunter. Kleine Töpfe mit griechischem Feuer flammten auf. Der Geruch von brennendem Fleisch, der zu den Belagerten aufstieg, erstickte sie beinahe. Als die Sonne am Himmel immer höher stieg und die glutheiße Ebene mit einem schimmernden Hitzeschleier überzog, flatterten schon die ersten algerischen Kriegsfahnen oben auf den Mauern. Gott hatte Ludovico seine Stunde der Wahrheit geschickt.
Man hatte Ludovico dem Ritterkomtur Zanoguerra zugeteilt, der eine Einheit von etwa zwanzig Spaniern und Italienern kommandierte, die für den größten Notfall in Bereitschaft stand. Zu ihnen gehörten drei Brüder, die von Del Monte besonders angewiesen waren, für Ludovicos Sicherheit zu sorgen. Zwei waren Italiener, Bruno Marra aus Umbrien und ein junger Novize aus Siena namens Pandolfo. Der dritte, ein feuriger Kastilianer, war Escobar de Corro, der von der Kavallerie aus Mdina abgestellt war. Alle drei fuhren erschrocken herum.
Hinter den ächzenden Windmühlen im Norden hatte eine ungeheure Explosion die seeseitige Spitze von L’Isla völlig verschlungen. Selbst hier, am entgegengesetzten Ende der Halbinsel, flogen ihnen noch Gesteinsbrocken gegen die Harnische. Allein die Explosion eines Pulvermagazins konnte eine so ungeheuerliche Zerstörung bewirkt haben. Sie sahen, wie die Bastion mitsamtihrer Kurtine in einer riesigen Staubwolke ins Wasser rutschte. Candelissas algerische Banner tanzten den Berghang hinauf zur rauchenden Ruine. Nun wandte sich Zanoguerra seinem Trupp zu.
»Die Zeit ist gekommen, um für unseren heiligen Glauben zu sterben.«
Zanoguerra führte sie im Laufschritt über den seeseitigen Mauergang. Ihr Weg führte mitten durch das Chaos und war glitschig wie
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