Das Sakrament
Pferd schafften.
»Vielleicht können sie uns ein paar ihrer Gemälde schicken«, grummelte Del Monte.
Ringsum erschallte lautes Gelächter, und auch Ludovico lächelte. Nun war der Augenblick gekommen, eine der ersten Karten auszuspielen, die ihm Papst Pius und Michele Ghislieri von Rom mit auf die Reise gegeben hatten. Er zog eine lederne Tasche hervor, die mit dem päpstlichen Wappen geziert war, und reichte sie La Valette, der sogleich das runde Bleisiegel erkannte, das ein apostolisches Schreiben von höchster Bedeutung ankündigte.
»Wenn der richtige Augenblick gekommen ist«, sagte Ludovico, »hofft Seine Heiligkeit, daß dies sich als mächtiger denn Kanonen herausstellen wird.«
Während ringsum atemloses Schweigen herrschte, erbrach La Valette das Bleisiegel und zog das Pergament aus der Tasche. Das rote Wachssiegel auf dem Brief trug den Abdruck des Fischerrings. Er erbrach auch dieses Siegel und faltete den Brief auf. Das Kapitel wartete, während er las. La Valette, sichtlich zu sehr gerührt, um Worte zu finden, reichte es an Oliver Starkey weiter, der zu seiner Rechten saß. Starkey überflog den lateinischen Text und räusperte sich.
»Es ist eine Bulle, verkündet am achten Juni, die allen Christen, die in unserem Kampf gegen die Moslems fallen, vollständigen Erlaß aller Sünden verspricht – Ordensbrüdern, Soldaten, Sklaven, Frauen, allen!«
Diese Bulle bedeutete, daß jedem Mann, jeder Frau, jedem Kind, die in der Schlacht um Malta fielen, der vollständige Nachlaß jeglicher Strafe für alle ihre Sünden versprochen wurde, was immer diese Sünden auch gewesen sein mochten. Für Menschen, die mit Härte, Folter und Leiden aller Art nur zu vertraut waren, bedeutete diese Bulle, daß sie im Jenseits keine einzige Stunde in den Qualen des Fegefeuers verbringen mußten. Für die Moral der Bevölkerung würde das von unschätzbarer Bedeutung sein.
»Seine Heiligkeit hat in Seiner Weisheit wahrer gesprochen, als wir ermessen können«, sagte La Valette. »Dieses Schreiben ist mehr wert als fünftausend Männer, wenn ich ihm überhaupt einen Preis zumessen darf.«
Er schaute mit seinen grauen Augen zu Ludovico. Der Inquisitor begriff, daß er alle Erwartungen, die der Großmeister in seine Rom-Reise gesetzt hatte, bei weitem übertroffen hatte.
»Im richtigen Augenblick, wie Ihr sagtet, wird dies den Glauben und den Mut selbst im verzagtesten Herzen erneuern.« La Valette stand auf. »Laßt uns alle anerkennen, daß wir Fra Ludovico dafür, daß er zur Entsendung der Entsatztruppen beigetragen hat und unter größten Gefahren diesen Segen des Heiligen Vaters in Rom erwirkt hat, einen besonderen Dank schulden.«
Die anderen Priore erhoben sich und verneigten sich vor Ludovico. Der Inquisitor stand bescheiden auf, um ihren Gruß zu erwidern. Zuletzt verbeugte er sich vor La Valette. »Euer Gnaden«, sagte er, »ich bin nicht nach Malta zurückgekehrt, um die Angelegenheiten des Vatikans oder der Heiligen Inquisition zu vertreten, sondern um zu kämpfen. Ich habe den besonderen Dispens des Heiligen Vaters, mich dem Kampf anzuschließen.«
La Valette erwiderte. »Es ist uns eine Ehre, daß Ihr ein solches spirituelles Opfer bringen wollt.«
Wenn dieser Kommentar eine Spur Ironie enthielt, dann bemerkte ihn niemand außer Ludovico. Er wandte sich an den Flottenadmiral und Prior der italienischen Zunge, Pietro del Monte. »Deswegen bitte ich Euch um die Erlaubnis, Admiral, mich mit Euren Soldaten ins Quartier begeben zu dürfen und zu dienen.«
»Mit den Soldaten?« Del Monte schüttelte den Kopf. »Als Neapolitaner seid Ihr eingeladen, Euch mit den Rittern in der Herberge von Italien einzuquartieren, und seid mir höchst willkommen.«
Nachdem das Ordenskapitel abgeschlossen war, ging Ludovico mit Del Monte zur Herberge von Italien. Er lehnte die ihm angebotene Einzelzelle ab, bestand darauf, einen Streifen auf dem Steinboden im Dormitorium zugewiesen zu bekommen, wo maneinhundertvierzig italienische Ritter einquartiert hatte. Er erfuhr, daß dreißig ihrer Kampfgenossen in St. Elmo gefallen waren. Als sich del Monte verabschieden wollte, hielt ihn Ludovico noch eine Weile zurück und spielte seinen zweiten Trumpf aus.
Er zeigte dem Admiral eine silberne Kette, an der ein silbernes Behältnis hing, etwa von der Größe eines Fingers, und wies ihn auf die kunstvoll gearbeitete Schraube hin, die es verschloß. In das Silber waren ein Kreuz und das Gotteslamm eingraviert, die Symbole
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