Das Sakrament
der Boden eines Schlachthauses. Gewicht und Winkel der Sturmleitern machten es sehr schwer, sie von oben umzustürzen. Wenn Dutzende von Männern darauf standen, war es völlig unmöglich. So rangen auf der Festungsmauer Moslems und Christen miteinander und kämpften um die Mauerkrone.
Einige Schritte von ihnen entfernt hatte ein maltesischer Freischärler am Rand der Brüstungsmauer einen Moslem mit dem Speer aufgespießt. Der Mann war mitten in der Brust getroffen und hustete Blut, während seine moslemischen Kampfgefährten hinter ihm schreiend die Leiter hinaufgeklettert kamen. Als sich Ludovico näherte, kletterte ein weiterer Algerier über die Schultern seines aufgespießten Kameraden, der noch immer mit beiden Händen störrisch den Schaft der Pike umfangen hielt, während der Malteser seine Waffe herauszuziehen versuchte. Schließlich ließ der Freischärler los, doch es war zu spät. Während er noch seinen Dolch zog, war schon der Algerier auf die Zinne gesprungen und hatte ihn mit seinem Krummschwert am Hals getroffen. Der Malteser hieb dem Algerier seinen Dolch in den Oberschenkel, brachte ihn zu Fall und stürzte sich zwischen den Mauerzinnen auf ihn. Beide taumelten über dem Abgrund.
Ludovico sprang dem Malteser zu Hilfe und stieß dem aufgespießten Mann das Schwert in den aufgerissenen Mund. Kalte Schauer jagten ihm über den Rücken. Mit einem blutigen Schwall zog er die Klinge heraus. Auch Anacleto gesellte sich zu ihm und schwang in diesem Tumult sein Schwert.
Ludovico holte tief Luft. Wie eine Offenbarung breitete sich in seiner Brust eine namenlose Ekstase aus. Er schaute Anacleto an, der kurz nickte und sich abwandte, um weiterzukämpfen. Ludovicoerhob sein Antlitz zum blendenden Licht und dankte Gott, daß er nun ein Krieger geworden war.
Zanoguerras Elitetruppe warf sich den Algeriern an der Bresche entgegen. In regelmäßigen Abständen sandten die Segel der Windmühlen ihre Schatten auf die Krieger. Ludovico stürzte sich in den Kampf. Er achtete nicht darauf, daß Klingen klirrend auf seinem Rückenpanzer landeten, er hieb mit beiden Händen, schlug mit aller Gewalt auf die zu Fall gegangenen, die ihm um die Füße krochen. Er betete zum heiligen Dominikus, daß er ihm Kraft schenken möge. Anacleto schien ihn zu beiden Seiten gleichzeitig zu flankieren und rettete seinem Meister häufiger das Leben, als Ludovico je wissen würde.
Zanoguerra munterte die eingeschüchterte Miliz auf, weckte ihren Kampfgeist erneut mit Anrufungen Christi und drängte sie, ihr Leben für den Orden einzusetzen. Dann traf ihn eine Musketenkugel mitten in die Brust. Während die Schakale des Propheten über seinen Leichnam herfielen, ergriff wiederum Panik die Miliz, und die Männer flohen durch den Korridor, um bei den Mühlen Schutz zu suchen. Aus den Kehlen der Moslemhorde erklangen Jubelrufe. Ludovico und Anacleto und die wenigen noch übrigen Kastilianer bildeten einen Schutzwall um ihren niedergestreckten Befehlshaber. Ein todesmutiges Häuflein von Maltesern gesellte sich in der Bresche zu ihnen. Gemeinsam sangen sie das Vaterunser, um sich auf ihr Ende vorzubereiten.
Pater noster qui es in caelis
Sanctificetur nomen tuum.
Dein Reich komme
Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden
Unser tägliches Brot gib uns heute
Und vergib uns unsere Schuld
Wie auch wie vergeben unseren Schuldigern
Und führe uns nicht in Versuchung,
Sondern erlöse uns von dem Übel
Amen
Pater noster qui es in caelis …
Die Algerier kamen über den Hang hinauf. Ludovico blickte ihnen entgegen. Zum erstenmal bemerkte er, daß ein Pfeil in seinem Oberschenkel steckte. Er erinnerte sich nicht daran, daß er getroffen worden war. Mit dem Schwert schnitt Anacleto eine Kerbe in den Schaft und brach den Pfeil kurz ab. Ludovico dankte ihm.
»Großer Gott«, keuchte Anacleto. »Schaut nur!«
Ludovico wandte sich um. Aus der Zeltstadt kam eine Meute von Flüchtlingsfrauen den Geröllhang hinaufgeklettert. Sie hatten ihre Röcke um die Taille gerafft und klaubten von den Gefallenen Waffen auf, ehe sie sich auf die Festungswälle stellten und sich dort dem Feind entgegenwarfen. Ludovico spürte, wie ihm Tränen in die Augen schossen. Hinter diesen maltesischen Amazonen überquerten die Zunge der Auvergne unter Sieur de Quinay und eine Kompanie spanischer Infanterie die Werftbucht auf einer Bootsbrücke. Ludovico stürzte sich wieder ins Gefecht.
Es dauerte zwei Stunden, bis sie Candelissa und seine Gazis wieder in die
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