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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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ausreichend vorhanden. Allerdings gingen die Wasservorräte,obwohl man die Zisternen unter St. Angelo gefüllt und vierzigtausend Fässer Wasser eingelagert hatte, allmählich gefährlich zur Neige, da die Brunnen und Quellen außerhalb der Festungsmauern lagen. Rasieren, Körperpflege und Wäsche waren verboten. Wer diese Regel verletzte, wurde auf dem Hauptplatz öffentlich gezüchtigt. An den Wasserverteilungsstellen waren kleinere Kämpfe ausgebrochen, doch hatte man diese Tumulte dadurch eindämmen können, daß man den Menschen einige Gefangene vorwarf, an denen sie ihr Mütchen kühlen konnten. Einige der größten Nörgler hatte man mit der Rute gepeitscht und dann aufgeknüpft.
    Trotz dieser Bemühungen würden sie schon bald schlimmsten Mangel leiden. Das noch vorhandene Wasser sollte der Garnison vorbehalten bleiben. Man hatte einen Wünschelrutengänger losgeschickt, der überall auf beiden Halbinseln unzählige Probelöcher bohrte. Wenn er erfolglos bliebe, erklärte La Valette, würde es notwendig werden, einen Großteil der Bewohner vor die Festungsmauern zu verbannen, wo sie den Türken auf Gnade und Verderb ausgeliefert wären. Da unter diesen Umständen die Gefahr einer Rebellion groß sein werde, sei dies eine Entscheidung, die er nur treffen werde, wenn er keine andere Wahl mehr habe. Der Großmeister wollte jedoch nur dem Ordenskapitel mitteilen, daß sie vielleicht ihre Waffen gegen die Bevölkerung einsetzen müßten.
    Niemand protestierte. Admiral Pietro del Monte, ein unförmiger Mann mit einer Hakennase, hatte während all dessen schweigend dagesessen und nur gelegentlich einen Blick auf Ludovico geworfen. Wie La Valette war er ein Musterbeispiel dafür, daß ein überaus aktives Leben das Alter in Schach halten konnte. La Valette bemerkte einen dieser Blicke del Montes und wandte sich an Ludovico.
    »Fra Ludovico«, sagte er, »wie sind Eurer Meinung nach die Absichten Garcia de Toledos?«
    Ludovico zögerte, als müsse er erst seine Gedanken sammeln. Dann antwortete er mit ruhiger Stimme, von der er wußte, daß sie die Aufmerksamkeit aller auf sich ziehen würde. »Im Augenblick gibt es keine Verstärkung der Größe, von der Ihr träumt.« Erbreitete seine Hände aus. »Denkt stets daran, daß die Rekrutierung, der Transport und die Aufstellung eines solchen Heeres, Aufgaben, für die sich Toledo mit allem Nachdruck einsetzt, das größte Abenteuer sind, das eine christliche Macht im Mittelmeer unternimmt, seit sein Vorgänger versuchte, Jerba einzunehmen.«
    Der Inquisitor sagte das ganz unschuldig, als sei ihm, im Gegensatz zu allen anderen am Tisch, völlig unbekannt, daß La Valette einer der Fürsprecher dieser glücklosen Unternehmung gewesen war. Der Großmeister gab keinerlei Kommentar ab.
    Ludovico fuhr fort: »Eine Flotte sammelt sich in Sevilla, um viertausend Soldaten hierherzubringen. Männer aus allen Garnisonen Italiens werden in aller Eile bereitgemacht. Ich habe mir sagen lassen, daß es einige Zeit in Anspruch nehmen wird, bis sie aufgetrieben sind. Wochen zumindest.«
    Ein entsetztes Flüstern ging um den Tisch. La Valette brachte es mit einer einzigen Handbewegung zum Verstummen.
    »Es wäre falsch, diese Verzögerung als Verschwörung zu deuten«, sagte Ludovico. »Um seine guten Absichten zu beweisen, hat Toledo seinen eigenen Sohn Federico mitgeschickt, um mit uns zu kämpfen.«
    Federico war mit den Entsatztruppen gekommen. Ludovico hatte ihn persönlich überredet, die gute Sache zu unterstützen. Nun hatte der Druck, dem sich Toledo ausgesetzt sah, nicht nur politische, sondern auch eine private Dimension bekommen. Einige am Tisch, besonders unter den Spaniern, nickten nun.
    »Ich kann Euch versichern«, fuhr Ludovico fort, »daß Seine Heiligkeit Papst Pius jede nur mögliche Anstrengung zu unserer Unterstützung unternimmt.« Er bemerkte, daß seine Verwendung der Worte »uns« und »unser« ohne jeglichen Widerspruch geblieben war. »Der Heilige Vater hat alle aufrichtigen italienischen Adeligen aufgerufen, sich dem Orden anzuschließen, besonders die Ritter des heiligen Stephanus.«
    Einige verächtliche Schnaufer ließen sich hören. Der Orden des heiligen Stephanus, der sich im weitesten Sinne am Johanniter-Orden ausrichtete, war erst vier Jahre zuvor vom Papst und einem seinerentfernten Verwandten, Cosimo de’ Medici, gegründet worden. In der anwesenden Gesellschaft galten seine Ritter als ein Haufen übersättigter Plutokraten, die es kaum auf ihr

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