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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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Leibeigener verneigt, wenn ein Edelmann vorübergeht.«
    Orlandu schien nicht vollkommen überzeugt zu sein. »Dann muß ich vorgeben, Euer Sklave zu sein, vorgeben, die Türken zu lieben, und auch vorgeben, Allah anzubeten?«
    »Das ist leichter, als es klingt«, versicherte ihm Tannhäuser. »Und wenn erst dein Magen voll ist und du weiche Seide auf deiner Haut spürst, wird es noch einfacher werden.«
    »Und meine Mutter?«
    Auf dieses Thema war Tannhäuser nicht gefaßt. »Sie ist in Gottes Hand, wie uns beide Religionen bestätigen. Du und ich, wir müssen uns jetzt um uns kümmern.« Orlandu blinzelte nach diesen harten Worten, und Tannhäuser kam sich wie ein Betrüger vor. Er beugte sich vor und drückte den Jungen an sich. »Du hast mitten im Getümmel der Schlacht gestanden, mein Junge, den Wahnsinn und die Verschwendung mit eigenen Augen angesehen. Kannst du mir sagen, daß all das einen Sinn hat?«
    Orlandu antwortete nicht.
    »Wenn es einen Gott gibt, dann hat er dich mit einem scharfen Verstand gesegnet«, sagte Tannhäuser. »Du ehrst Ihn, indem du diesen Verstand so gut einsetzt, wie du nur kannst. Und jetzt wollen wir aufbrechen.«
    Tannhäuser nahm Orlandu mit auf den Basar, frischte dort einige alte Bekanntschaften auf und tauschte zwei Unzen Opium gegen Silbermünzen ein. Dann verordnete er Orlandu ein Bad und kaufte ihm Kleidung und Schuhe, die seinem Stande angemessen waren, sowie ein Messer und einen kleinen Eisenkochtopf, die ihm, wie er ihm versicherte, große Beliebtheit einbringen würden. Er brachte ihm die Shahada bei: Aschhadu an la ilaha illa allah wa muhammad rasulu allah. Ich bezeuge: Es gibt keinen Gott außer Allah, und Mohammed ist Sein Prophet. Das würde ihm in jedemNotfall das Wohlwollen der Gläubigen eintragen, und da Maltesisch und Arabisch einander nicht so fernstanden, beherrschte Orlandu die Worte recht bald. Tannhäuser erklärte ihm zudem, daß er sich vor keinem Menschen verbeugen solle, nicht einmal vor einem Wesir. Man verneigte sich allein vor Allah. Befriedigt stellte er sodann fest, daß der Junge mit dem Gruß Assalaamu alaykum bereits vertraut war. Weiter schärfte er Orlandu ein, daß sie vor Abbas und seinem Gefolge nicht zu freundschaftlich miteinander umgehen durften. Die anderen sollten annehmen, daß Tannhäuser Orlandu eine kleine Schuld zurückzahlte, eher aus Nächstenliebe oder Verehrung zu Allah als aus Zuneigung zu dem Jungen.
    Dann führte Tannhäuser ihn in Abbas’ Lager und stellte ihn den Dienern vor. Er bestach den Pferdeknecht, Orlandu in der Pflege von Pferden zu unterweisen, da diese Fertigkeit stets gefragt war. Der Junge spielte seine Rolle mit viel Geschick, und Tannhäuser, dessen düstere Stimmung verflogen war, beglückwünschte sich zu einem gelungenen Tagewerk.
    Später schenkte er Abbas ein Pfund Opium und erklärte ihm, daß er, den Segen seines Retters vorausgesetzt, am nächsten Tag per Schiff nach Tripolis aufbrechen wolle. Abbas zeigte sich einverstanden und gab ihm ein Empfehlungsschreiben mit. Er befand sich in finsterer Stimmung und wirkte gedankenverloren, ohne zu verraten, warum.
    Tannhäuser zog sich auf sein Lager zurück und schmiedete Pläne. Er würde das restliche Opium auf dem Basar verschachern, weil es hier weitaus mehr wert war als anderswo. In Tripolis würde ihm das Gold, geschickt verteilt, Kredit bei den Getreidehändlern verschaffen. Seine Kenntnis der Lage auf Malta und seine Kontakte im Basar des Heeres würden ihm etwas noch wesentlich Kostbareres einbringen: ihr Vertrauen. Der Brief, den Abbas ihm geschrieben hatte, wäre mehr Gold wert, als er bei sich tragen konnte. Innerhalb eines Monats würde er wieder auf Malta sein und eine Warenladung mit sich führen, bei deren Anblick den Quartiermeistern das Wasser im Mund zusammenlaufen würde.
    Er hatte für den Jungen getan, was er konnte. Im Gefolge von Abbas war er so sicher wie beinahe nirgends sonst auf der Insel. Er hatte seine Abmachung mit Carla erfüllt. Er hatte sogar dem Kriegsgott seinen Tribut gezollt. Als Tannhäuser seinen Kopf auf die Kissen bettete und die Augen schloß, war sein Gewissen oder das, was davon übrig war, so rein wie ein frisch polierter Spiegel.
    Einige Stunden später wachte er auf. Draußen vor den Zelten flackerten die Lagerfeuer. Er hatte geträumt, wußte aber nicht, wovon. Vergeblich sah er sich nach dem Äthiopier um. Eine ferne Melodie hatte ihn in seinem Traum heimgesucht und sein Herz mit Traurigkeit erfüllt. Er

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