Das Sakrament
Janitscharen zu zügeln. Der Groll, den sie in diesem Krieg aufgestaut hatten, saß tiefer als sonst. Dafür hatte La Valette gesorgt. Einen Tag lang würden die Straßen rot von Blut sein.
Tannhäuser fragte sich, ob es ihm, nachdem er die Frauen gerettet hatte, gelingen würde, Buraq wieder an sich zu nehmen, und überlegte, daß er dazu wohl mit großem Geschick vorgehen müßte und eine Menge Opium brauchen würde.
Als der Beschuß zur Eröffnung der Schlacht abebbte, verzogen sich allmählich die Rauchschwaden. Der Blick auf eine riesige Bresche in der Umfassungsmauer von Birgu wurde frei, wo einvierzig Fuß langes Stück der Kurtine auf die Leichen im Graben heruntergestürzt war. Die Banner des Sultans kamen über die große Hochebene geströmt, und Pialis Tataren-Truppen in ihren strahlendgelben Uniformen und Mützen schossen einen Hagel von Pfeilen ab. Sie stürzten sich auf die Hakenbüchsenschützen des Ordens und wurden zu Dutzenden auf dem blutgetränkten Lehm der Laufgräben niedergemäht. Wer irgend konnte, zog sich wieder hoch und taumelte weiter in die Hölle hinein. Es war buchstäblich eine Hölle, seit griechisches Feuer und siedendes Schweinefett von den umgebenden Zinnen in die Bresche flossen. Als die Azebs Leitern anlegten, um den Posten von Kastilien zu erstürmen, schob sich hinter den Tataren hervor ein scharlachroter Keil von Spahi -Fußsoldaten nach vorn.
Auf den Berghöhen tauchten mehr und immer mehr Bataillone über dem Grat auf, um sich in den Kampf zu stürzen, als könnte Piali sie aus dem Nichts heraufbeschwören. Die hohen weißen Federbüsche der Janitscharen schwankten wie ein Feld riesiger Lilien. Derwische stampften ungeduldig, schwenkten blitzende Klingen, schrien »Wehe den Ungläubigen angesichts des Tages, der ihnen droht«. Vom Hanf berauschte Iayalaren zerrissen ihre Kleider und riefen zu Allah, Er möge ihnen den rechten Anteil an Blut gewähren.
Oberhalb der vordersten Bastion der Katholiken baumelte der fünfundsiebzigste gehenkte Sklave der Belagerung wie ein flügelloser, blauzüngiger Raubvogel, den die Mächte der Unterwelt geschickt hatten, auf daß er diesen Tag beobachte.
Während Birgu um sein Leben kämpfte, fiel dreihundert Schritt links von Piali, lediglich durch die schmale Werftbucht getrennt, Mustafa Pascha über die Festung St. Michael her. Eine rote Menschenmasse von Spahis schleuderte Sturmeisen in das lodernde Inferno von brennenden Reifen und Feuertöpfen. Der Gestank von brennenden Haaren und verbranntem Fett drang zu Tannhäuser herüber. Es schien unmöglich, daß selbst Gazis in einer so dämonischen Umgebung lange ausharren könnten, doch sie hielten durch. Stunden vergingen unendlich langsam, und die Erobererkletterten über die Leichen der Verbrannten und Erschlagenen, erklommen die rußgeschwärzten Mauern und zwängten sich durch die Schießscharten. Nun entspann sich hoch über den uralten Ruinen von Bormla ein erbitterter Nahkampf.
Als wollte er die letzte Stunde von L’Isla einläuten, erschien Mustafa höchstpersönlich an der Spitze seiner Garde auf der zerklüfteten Ebene. Musketenkugeln ließen rings um ihn her kleine Staubwolken aufstieben, doch er scherte sich nicht darum. Straußenfedern wippten auf seinem riesigen weißen Turban, und sein perlgraues Schlachtroß trug eine Schabracke aus goldenem Tuch. Zu beiden Seiten ragten rote Standarten mit dem Roßschweif auf. Neben der Garde des Paschas zog ein Dutzend Orta-Solak -Garden gleichauf. Die Elitetruppe der Janitscharen, begleitet von ihren Derwischvätern, trug die typischen Bronzehelme und ockerfarbenen Gewänder. Mustafa ritt mitten unter ihnen, stachelte ihren Stolz noch weiter an, begeisterte sie mit Versen des Propheten, umwarb ihre Seelen mit der Aussicht auf ein palmenbeschattetes Paradies und bestärkte ihre Gier mit Versprechen von Prämien und Plünderungen. Er und La Valette waren wirklich ebenbürtige Gegner, überlegte Tannhäuser. Beide waren siebzig Jahre alt, beide noch im Blutrausch. Die Solak -Garde formierte sich zum Angriff. Wenn Spahis die Wälle von St. Michael erklimmen konnten, würden die Löwen des Islam die Mauern bis auf die Grundfesten einreißen.
Dann erhob sich aus der Bresche in der Verteidigungsmauer von Birgu ein ungeheures Brüllen. Tannhäuser drängte sein Pferd ein wenig weiter den Grat entlang, um besser sehen zu können. Pialis Sturmtruppen hatten sich durch die lodernde Bresche geschlagen und waren in ungeordneten Haufen auf das
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