Das Sakrament
handelseinig waren. Kaum ein anderer Europäer, den Tannhäuser kannte, hätte so lange ausgehalten; für ihn jedoch war das Feilschen ein Lebenselixier. Er liebte dieses Spiel und hatte es unter schwierigsten Bedingungen von Meistern ihres Fachs auf den Basaren von Trapezunt und Buyuk Carsi gelernt. Er begriff rasch, daß er Salih übervorteilen konnte. Mit begehrlichen Blicken beäugte der Korsardas Radschloßgewehr, das sich Tannhäuser offen auf den Schoß gelegt hatte. Da Salih nicht so plump war, rundheraus nach dem Gewehr zu fragen, sondern es statt dessen wortreich bewunderte, war Tannhäuser nur zu gern bereit, ihm die Präzision der Waffe zu demonstrieren, ihm den ausgeklügelten Mechanismus vorzuführen und darauf hinzuweisen, daß der Schuß unmittelbar auf das Betätigen des Abzugs erfolgte und daß diese Waffe keine umständliche, lange schwelende Lunte mehr brauchte. Allerdings achtete er sorgfältig darauf, Salih das Gewehr nicht in die Hand zu geben. Daß es ihm dann gelang, den Kapitän davon zu überzeugen, daß das Radschloß für keinen Preis zum Verkauf stand, mußte als ein Meisterstück gelten, das allerdings beinahe die ersten beiden Stunden in Anspruch nahm. Dann, als Salihs verzweifelter Wunsch nach dem Gewehr den Wert Orlandus nur noch als einen einzigen winzigen Posten auf einer ellenlangen List erscheinen ließ, schlug Tannhäuser vor, sie sollten von dem Opium kosten, das er mitgebracht hatte.
Er zog ein walnußgroßes Stück aus dem Kaftan. Salihs Augen verengten sich zu Schlitzen. Eine Wasserpfeife wurde herbeigebracht, und sie krümelten ein wenig Opium zusammen mit zerriebenen Hanfblüten, zerdrückten Rosinen und Tabak hinein und begannen im Schatten zu rauchen. Salih war nicht der erste, der glaubte, ein wenig Ablenkung könne sein Verhandlungsgeschick verbessern. Als das Opium seinen Zauber spann und Salih selig auf seinem Stuhl hin und her schwankte, konnte Tannhäuser den Jungen für lumpige zwei Stücke Opium erwerben. Als Zeichen seines guten Willens gab er noch einen winzigen Rest hinzu.
Ein Diener holte Orlandu vom Strand. Tannhäuser hielt das Gesicht bis zum letzten Augenblick abgewandt, trat dann vor und stellte sich zwischen den Jungen und Salih. Er bannte Orlandu mit seinem Blick und strich sich dann über den Bart, wobei er einen Finger vor die Lippen legte, um den Jungen zu warnen, sich ja nicht anmerken zu lassen, daß sie Freunde waren.
Mit der raschen Auffassungsgabe, die er besaß, nahm Orlandu nach anfänglichem Staunen den mürrischen Ausdruck eines Sklaven an, der gegen seinen Willen verschachert wurde. Salihs Diener,der ebenfalls fasziniert vom Duft der Wasserpfeife war, entging dieser abrupte Stimmungswechsel. Salih selbst beschränkte sich darauf, dem Jungen ein Ohr langzuziehen, um ihn so darauf hinzuweisen, daß er sich nun anständig benehmen solle, da er nun in die Dienste eines feinen Herren eingetreten sei. Der Blick, den die Algerier miteinander tauschten, ließ Tannhäuser argwöhnen, daß die beiden vermuteten, er habe den Jungen lediglich gekauft, um der Knabenliebe zu frönen. Salih brachte noch seine Hoffnung zum Ausdruck, daß sie bald wieder einmal Handel miteinander treiben würden, und Tannhäuser erwiderte, diese Hoffnung läge ganz auf seiner Seite. Dann machte er sich mit Orlandu auf den Weg. Er stieg auf seine Stute, das Gewehr schräg über den Sattelknauf gelegt, und der Junge lief neben ihm her und hielt sich mit einer Hand am Steigbügel fest, als hinge sein Leben davon ab.
Als sie aus Sichtweite waren, ließ Tannhäuser sein Pferd langsamer werden. Er blickte den Jungen nicht an. Unter sich spürte er eine Satteltasche, die mit vier Pfund Opium gefüllt war. Er mußte unwillkürlich lachen, was schon sehr lange nicht mehr vorgekommen war.
»Also«, sagte er auf italienisch, »du hast dich an deine frühere Tätigkeit erinnert und schrubbst wieder Muscheln von Schiffen. Du enttäuschst mich.«
»Wohin gehen wir?« wollte Orlandu wissen.
»Was, keine Dankbarkeit?«
»Ich dachte, Ihr wäret tot. Ich habe um Euch getrauert und für Eure Seele gebetet, obwohl ich sicher war, daß Ihr verdammt seid.«
»Deine Kleingläubigkeit ist eine Schande. Habe ich dir nicht gesagt, daß wir uns wiedersehen würden?«
»Warum habt Ihr so lange gebraucht?«
»Nicht doch«, erwiderte Tannhäuser. »Nicht ich habe mich von den Seewölfen des Sultans einfangen lassen, während ich in geheimer Mission zu La Valette unterwegs war.«
Orlandu
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