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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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zurückzuholen. Nun, da Sabato Svi sich wieder in Venedig etabliert hatte, konnten sie in eine strahlende Zukunft blicken. Und was noch wichtiger war: Tannhäuser würde auf diese Weise weitere Verstrickungen in die Kämpfe vermeiden.
    Die Alternative, zu den Christen zurückzukehren, würde eine Kraft und Leidenschaft erfordern, die er in der wütenden Schlacht um St. Elmo für alle Zeiten aufgebraucht zu haben schien. Zuerst einmal müßte Tannhäuser durch zwei feindliche Linien nach Birgu zurückkehren. Sich dort für den Orden abschlachten zu lassen wäre höchst töricht. Selbst wenn Amparo, Carla und Bors noch am Leben waren, müßte er sie alle aus der Festung herausschmuggelnund durch die feindlichen Linien das Boot in Zonra erreichen, von dem er auch nicht mit Sicherheit annehmen konnte, daß es noch auf sie wartete.
    Orlandu kam in keiner dieser Überlegungen vor. Wenn Tannhäuser ihn einbezog, schien eine Reise nach Birgu unmöglich. Er selbst war bereit, sich an den türkischen Wachen vorbeizuschleichen, aber wenn er einen Sklavenjungen im Schlepptau hatte, würden sie beide am nächsten Morgen unter der Bastonade winseln.
    Bors konnte auf sich selbst aufpassen, und solange er ein Schwert in der Hand halten konnte, würde er sich nicht beklagen. Und die Frauen? Wenn sie überlebten und in türkische Gefangenschaft gerieten, dann konnte Tannhäuser möglicherweise durch geschicktes Verhandeln ihr weiteres Schicksal beeinflussen. Trotz seiner wilden Wut würde Mustafa nicht die gesamte Bevölkerung der Insel dem Schwert anheimfallen lassen. Irgend jemand mußte ja die Stadt wieder aufbauen und die Felder bestellen. San Lorenzo würde eine Moschee werden. Das Essen würde besser werden. Malta würde wie Rhodos oder der Balkan oder wie die hundert anderen Gebiete, die unter die Herrschaft des Sultans gefallen waren, wohlhabend und friedlich werden. Die Leute würden sogar am Sonntag in die Kirchen gehen dürfen. Sollten Carla und Amparo indes nicht überleben, würde Tannhäuser sie trotz der Trauer mit der Zeit vergessen. Das Leben würde weitergehen, es ging immer weiter. Er hatte schon vorher Frauen verloren. Zumindest würde er nicht mit ansehen müssen, wie sie vor seinen Augen starben.
    Nein, seine Überlegungen waren falsch. Niemals würde er die schönen und zarten Frauen vergessen, die er über das Meer gebracht hatte. Genausowenig wie er seine Mutter oder seine Schwester Britta vergessen hatte.
    Am nächsten Morgen war Tannhäuser aufgewacht und hatte beschlossen, Orlandus Los zu verbessern – wenn der Junge überhaupt noch lebte –, ohne daß sie beide Gefahr liefen, ihr Leben zu verlieren. Weil Tannhäuser in seinem Fieberwahn auf den Jungen gedeutet hatte, hatte Abbas an dem Tag, als St. Elmo fiel, versucht, den Jungen zu finden, aber die Korsaren, die ihngefangengenommen hatten, waren unerbittlich. An jenem Tag war ihre Beute mager gewesen, so daß sie alles, was sie erbeutet hatten – sogar eine dreibeinige Ziege –, mit Zähnen und Klauen verteidigten.
    In der Bucht von Marsamxett herrschte reges Treiben. Aus Alexandria und Tripolis liefen Vorratsschiffe ein. Andere brachen mit zahllosen Verwundeten in Richtung Osten auf. Überall wurde ausgebessert und gebaut. Tannhäuser verbrachte einen halben Tag damit, am Hafen nach Orlandu zu suchen, tauschte mit den algerischen Arbeitern freundliche Worte. Nach vielen Gesprächen und Nachforschungen entdeckte er schließlich Orlandu, der Muscheln vom Schiffskörper einer Galeere kratzte. Der Junge arbeitete mit Hingabe und sah aus der Ferne nicht besonders mitgenommen aus. Tannhäuser sprach ihn nicht sofort an, sondern zog weitere Erkundigungen ein.
    Er fand heraus, daß der Junge nun dem Kapitän der Galeere gehörte, einem Schurke mit Namen Salih Ali. Der Kapitän war ein Gefolgsmann des Torghoud Rais, der gefallen war, als man Tannhäuser aus den Ruinen getragen hatte. Salih war Algerier, was Tannhäuser insgeheim erleichterte, denn die übelsten Korsaren waren nicht die Algerier, sondern abtrünnige Christen wie Torghoud selbst. Mit Salih zog Tannhäuser sich in den Schatten einer Markise zurück, trank süßen Tee und redete. Tannhäuser ließ den Kapitän wie zufällig einen Blick auf das tätowierte Rad auf seinem Arm werfen, dann ließ er durchblicken, daß er auf der Suche nach einem Christensklaven sei, der möglichst jung und stark sein sollte, und die Verhandlungen begannen.
    Zweieinhalb Stunden dauerte es, bis die beiden sich

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