Das Sakrament
freie Gelände dahinter gestürmt. Dort fanden sie sich allerdings vor einer unversehrten zweiten Mauer wieder, deren Bau Tannhäuser selbst vorgeschlagen hatte und bei deren Errichtung La Valette Hunderte von Sklaven zu Tode gehetzt hatte. Anstatt in der Stadt zu sein, fanden sich Pialis Eindringlinge nun in einer Falle wieder, in einem blutigen Zwinger, vor sich die Mauer und hinter sich die drängende scharlachrote Meute der Gazis , die es nach Ruhm dürstete.
Zu beiden Seiten des Zwingers waren Kasematten und Schießscharten, wo man Kanonen aufgestellt hatte, die mit Kartätschen geladen waren. Von dort durchpflügte man nun dieses verzweifelte Menschengewimmel mit blutigen Salven. Hakenbüchsenund Bogenschützen feuerten, was sie konnten, und maltesische Frauen überschütteten die Eindringlinge mit kochendem Schmalz und warfen Steinblöcke auf sie hinab. Auch die Brandmannschaften schleuderten ihre schrecklichen Waffen.
Wie eine Herde in Panik geratener Rinder, die von Raubtieren bedroht wurde, wandten sich die Eingeschlossenen hierhin und dorthin. Als sie endlich begriffen, daß ihr einziges Heil in der Flucht lag, stürzten sie in blindwütiger Bewegung zurück zur Bresche. Da knarrten die Ausfalltore in der neu errichteten Festungsmauer, und nun kam Reihe um Reihe von grimmigen Rittern auf sie zugeprescht, um sie mit Streitäxten und Schwertern niederzumachen. Während sich die Opfer dieses Gemetzels in blutigen Haufen hoch auftürmten, während diejenigen, die über die große Ebene flüchteten, noch im Laufen in den Rücken geschossen wurden, erhoben die Ritter ihre Waffen zum Himmel und priesen Gott.
Birgu würde nicht fallen. Zumindest nicht an diesem Tag.
Tannhäuser ritt zurück, um den Kampf um St. Michael zu beobachten. Wellen von Solak -Gardisten strömten die Sturmleitern hinauf und hatten bereits ihr Banner mit dem Stern und dem Halbmond neben dem Kreuz gehißt. Die Ritter und die Malteser kämpften um jeden Zoll Boden, doch da Unterstützung aus Birgu unwahrscheinlich war und Mustafas Reserven schier unerschöpflich schienen, waren die Aussichten für St. Michael alles andere als rosig. Wenn die Festung St. Michael fiel, würde Birgu innerhalb einer Woche folgen. Dann würde Mustafa sein Belagerungsgeschütz in St. Michael aufstellen und die unbewehrte Flanke der Stadt aus einer Entfernung von wenigen hundert Fuß beschießen, die Werftbucht mit seinen Langbooten überqueren, während gleichzeitig von der großen Ebene aus sein Heer Sturm auf die Umfassungsmauer lief.
Tannhäuser kannte die Pfade und Straßen der Insel nicht gut genug, um in der Dunkelheit nach Birgu zu finden. Genausowenig kannte er die Stellungen der Türken im Osten. Er brauchte einen von den maltesischen Kundschaftern der Ritter, der ihn dort hingeleiten mußte. Diese Männer kannten jeden Winkel des zerklüfteten Terrains und brachten auf Geheiß des Großmeisters Botschaften nach Mdina und zurück. Soweit er wußte, hatte man noch nie einen von ihnen gefangengenommen. Mdina war nur vier Meilen entfernt. Wenn er nach Birgu zurückkehren wollte, dann mußte er in Mdina anfangen.
Tannhäuser wendete sein Pferd und ritt so eilig, wie er es nur wagte, über die Höhen. Er erklomm die Bergflanke des Corradino. Als er an Abbas’ Zelt vorbeikam, sah er dort Orlandu, der Pferdeäpfel in eine Schubkarre schaufelte. Orlandu hielt inne, als Tannhäuser abstieg.
»Wir werden uns jetzt eine Weile nicht sehen«, sagte Tannhäuser.
Sofort schaute der Junge betrübt drein, straffte aber tapfer die schmalen Schultern.
»Du bleibst beim Gefolge von General Abbas. Er ist weise und gerecht, und er wird darauf sehen, daß dir kein Leid zustößt. Sag ihm nichts von unserer Freundschaft. Sag ihm, wenn es sein muß, was ich ihm auch selbst schon erzählt habe: daß du mir einen Gefallen erwiesen hast, als ich als Sklave in der Festung St. Elmo gefangen war. Ich wäre beinahe verdurstet, und du hast mir Wasser aus einer Ziegenlederflasche gegeben. Als ich dich von dem Algerier loskaufte, habe ich diese Schuld abgetragen, wie Allah es befiehlt. Verstehst du?«
Orlandu nickte. »Eine Flasche aus Ziegenleder.«
»Vergiß nicht, du bist jetzt ein Mann – und ein Malteser noch dazu. Ich kenne kein Volk, das zäher ist. Wie schon der heilige Paulus geschrieben hat, mußt du nun alles Kindliche ablegen. Arbeite hart, bete mit den Heiden, lerne ihre Sprache! Du hast die Gefangenschaft bei Salih Ali überlebt. In dieser Umgebung wirst du wie
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