Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
Vom Netzwerk:
etwa einem Dutzend Wachtposten bewacht, die in Zweiergruppen Patrouille ritten. Tannhäuser hielt geradewegs auf die nächste Gruppe zu, nickte ihnen majestätisch zu, ohne langsamer zu werden. Wieder einmal verließ er sich darauf, daß die üppige Pracht seiner Gewänder die Wachen einschüchtern würde, so daß niemand ihn aufhielte.
    Als er das offene Land erreicht hatte und außer Sichtweite war, schwenkte er scharf nach Westen, spornte sein Pferd zu einem schnellen Trab an und ließ das Getöse der Schlacht weit hinter sich.
    De Lugnys berittene Außenposten griffen ihn am Fuß des felsigen Aufstiegs nach Mdina auf. Auf ihren geifernden Schlachtrössern bildeten sie einen bedrohlichen Kreis um Tannhäuser. Die großen Pferde waren Lusitanos und Andalusier, die man mit schwedischen Warmblütern gekreuzt hatte. Die Ritter hatten ihre Visiere geschlossen. Ihr Blut war in Wallung, und wenn sie nicht den Befehl gehabt hätten, alle Gefangenen in die Stadt zu bringen, hätten sie ihm nur zu gern an Ort und Stelle den Kopf abgehackt. Unflätige Bemerkungen über seinen Kaftan, den sie anscheinend zu weibisch fanden, flogen hin und her. Trotzdem wagte keiner zu lachen, obwohl dieser Spott Tannhäuser willkommen gewesen wäre, weil er die Stimmung ein wenig entspannt hätte. Schließlich würde das abgeschlagene Haupt eines Türken ihnen allerhöchstens einen strengen Tadel eintragen, und hier in Mdina, weit weg von der Schlacht, war die Beute ansonsten nicht besonders groß.
    Tannhäuser war erleichtert, als endlich der Chevalier de Lugnymit der gesamten Ordensreiterei von zweihundert Mann anrückte. Alle trugen über der Rüstung rote Umhänge mit einem großen weißen Kreuz. Amparo hatte dieses Gewand wesentlich besser gestanden. De Lugny erkannte ihn sofort als den Mann, der sie zum Angriff auf den Galgenpunkt angeführt hatte.
    »Vor einigen Monaten habe ich Eure Dienste angefordert, Hauptmann«, sagte De Lugny. »Damals gab man mir zu verstehen, Ihr wäret tot.«
    »Es sind heutzutage viele falsche Gerüchte im Umlauf«, erwiderte Tannhäuser.
    »Dürfen wir erfahren, wie Ihr die Zwischenzeit verbracht habt?«
    »Ich habe mich von meinen Verletzungen erholt.«
    »Bei den Moslemteufeln?«
    »Im Zelt eines ihrer Generäle.«
    Manchmal war die mutigste Antwort die beste. Einen Augenblick lang wirkte De Lugny verblüfft. Der Ritter zu seiner Linken, einer der Außenposten, die Tannhäuser gefangengenommen hatten, hob sein Visier: Es war ein junger Laffe mit jener Haltung von angeborener Überheblichkeit, die kein Mißerfolg auf der Welt je erschüttern könnte.
    »Dann habt Ihr dem Großmeister gewiß viel zu berichten«, sagte De Lugny.
    »Deswegen komme ich nach Mdina. Ich brauche einen maltesischen Führer, der mich nach Birgu geleitet.«
    Der Laffe mischte sich ein und bestätigte Tannhäusers ersten Eindruck. »Vielleicht hattet Ihr ja auch dem Großtürken viel zu berichten.«
    Tannhäuser schaute ihn an. Kurz überlegte er, ob er diese Beleidigung übergehen sollte, doch die höhnischen Bemerkungen über seinen Kaftan hatten ihn wohl tiefer getroffen, als er vermutet hatte. Er sagte: »Ich habe dreizehn Tage in St. Elmo verbracht. Die letzten dreizehn Tage.«
    Blicke wurden ausgetauscht, und einige bekreuzigten sich zu Ehren dieses legendären letzten Gefechtes.
    Tannhäuser fuhr fort: »Wenn die Janitscharen über den Hügelgestürmt kamen, haben wir oft an euch hier gedacht, wie ihr eure Rüstungen poliert und im sicheren Mdina euren Wein schlürft.«
    Schwerter wurden aus den Scheiden gezogen. Flüche wurden laut. Streitrösser traten unruhig von einem Huf auf den anderen.
    Tannhäuser lehnte sein Gewehr an die Hüfte. Plötzlich fand er das übertriebene Ehrgefühl dieser Kerle widerwärtig und beleidigend. Vielleicht war er nach dem langen Fieber oder vom Opium des gestrigen Tages noch nicht wieder ganz klar im Kopf. Vielleicht hatte er auch nur diesen ganzen kriegerischen Wahn satt. Eine ungewohnte, aber noch wohlbekannte Wut erfüllte ihn.
    »Legt eure Rüstung ab«, sagte er zu dem Laffen, »und dann nehme ich es mit dreien von euch auf. Zu Fuß mit fünf.«
    Er drängte sein Pferd einen Schritt weiter vor. Der Laffe erbleichte. Hätte er sein Schwert erhoben, Tannhäuser hätte ihm ins Gesicht geschossen. De Lugny, der die Menschen besser kannte als sein junger Kamerad, hob die Hand. »Genug!« rief er. »Ehe Dinge gesagt werden, die nicht mehr zurückzunehmen sind.«
    Tannhäusers Blick wankte nicht.

Weitere Kostenlose Bücher