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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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stets schaffte, die Bedeutung zu begreifen, selbst wenn ich es nicht konnte.« Mattias schaute sie an. »Das waren die glücklichen Tage in Mondovi.«
    »Was hat diesen Tagen ein Ende bereitet?« wollte Carla wissen.
    Mattias legte die Stirn in Falten. »Es waren Gerüchte im Umlauf, daß die lutherische Ketzerei auch in dieser Stadt Anhänger gefunden hatte und daß Waldenser aus den Hochtälern dorthin gewandert kamen – Angelegenheiten, über die Petrus und ich völlig ahnungslos waren. Michele Ghislieri, möge seine Seele verflucht sein, schickte uns die Inquisition, um den Fall zu untersuchen.«
    Plötzlich wurde Carla übel.
    »Wie Würmer kamen sie aus dem Gebälk gekrochen. Petrus wurde vor ihr Tribunal zitiert. Sie beschuldigten ihn der Hexerei und der Ausübung der Schwarzen Künste und anderer Verbrechen, die zu grausig sind, als daß ich sie auch nur wiederholen möchte. Er weigerte sich, seine Heimat zu verlassen, denn da war alles, was er kannte. Mit all seiner Eloquenz, über die er verfügte, überredete er aber mich zur Flucht. Zu meiner Schande befolgte ich seinen Vorschlag und hatte schon eine ganze Meile zurückgelegt, ehe mich die Abscheu vor mir selbst übermannte und ich umkehrte.«
    Carla sah, wie sich seine Gesichtszüge noch weiter verfinsterten.
    »Die Nacht war bereits hereingebrochen, und ich konnte den Flammenschein schon von der Straße her erkennen. Ich dachte, es wäre Petrus’ Scheiterhaufen und alles wäre schon vorbei, doch seine Qualen sollten noch viel teuflischer werden und längerandauern. Das Feuer hatten sie mit Büchern aus seiner Bibliothek entfacht, mit Hunderten von Büchern und Manuskripten, die er sein Leben lang zusammengetragen hatte, für die er Tausende von Meilen gereist war – nach Frankfurt, Amsterdam, Prag. Es waren Texte von Theophrastus, von Trithemus von Sponheim, von Ramón Lull, von Albertus Magnus, von Agrippa, von Paracelsus und vielen anderen mehr. Das Wissen von zwei Jahrtausenden ging in Rauch auf. Auch Petrus’ eigene Schriften, von denen es keine Abschriften gab, wurden in die Flammen geworfen. Ein unvergleichliches Lebenswerk wurde vernichtet.«
    Mattias schluckte, und seine Augen glänzten feucht, ob aus Wut oder aus Traurigkeit, vermochte Carla nicht zu sagen.
    »Eine Meute derselben Bravi , die ich schon erwähnt habe, schürte das Feuer. Ihre Gesichter glänzten vor Selbstgerechtigkeit und Bosheit. Petrus mußte all das mit ansehen. Man hatte ihn nackt ausgezogen und rückwärts auf einen Esel gesetzt. In jenem Augenblick, glaube ich, hatte man ihn bereits gebrochen. Er war ein zarter Mann, zerbrechlich wie Kristall, und trotz all seiner Weisheit überstieg eine solche grausame Behandlung sein Vorstellungsvermögen völlig.«
    Einen Augenblick lang sagte Tannhäuser nichts. Carla fragte: »Was habt Ihr gemacht?«
    »Ihr habt mir von Hilflosigkeit gesprochen und von dem Haß, den sie in einem wachsen läßt.«
    Es schien beinahe eine Frage zu sein. Es wäre das letzte gewesen, was sie geglaubt hätte mit ihm gemeinsam zu haben. Sie wußte, wie schwer es war, eine Beichte abzulegen, wie schwer es ganz besonders ihm fallen mußte. Sie nickte.
    Mattias fuhr fort. »Was ich gemacht habe? Nun, ich stand da in der Menge und schaute mir das Feuer an. Und tat nichts.«
    Seine Augen hatten sich zu Schlitzen verengt, waren im Flackern von Licht und Schatten nicht auszumachen. Carla fühlte sich ihm enger verbunden als je zuvor.
    »Ich hatte selbst schon genug Feuer und Wut erlebt. Im Iran haben wir ganze Städte niedergebrannt, eine nach der anderen, undDenkmäler eingerissen, die älter waren als der Tempel von Jerusalem. Als ich dastand, kam mir der Gedanke, daß ich den Bravi , die hier johlten, viel ähnlicher war als Petrus, daß der Traum vorbei war und daß die Welt nun einmal so ist, wie sie ist, und nicht, wie Männer wie Petrus Grubenius sie gerne machen würden.«
    Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht, und beinahe hätte sie ihren Arm ausgestreckt und die Hand ergriffen, als sie schon wieder herabsank.
    »Ich habe Petrus Essen und Wein ins Gefängnis gebracht. Er war stumm und verwirrt wie die Kinder, die am Straßenrand stehen und zuschauen, wie eine Stadt in Schutt und Asche gelegt wird.« Carla mußte eine Reaktion gezeigt haben, denn er schaute sie an und nickte. »Ja. Ich habe diese Gesichter auch gesehen. In schrecklicher Zahl.«
    Sie sagte: »Erzählt weiter.«
    »Ich hätte genausogut einer von seinen Gefängniswärtern sein

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