Das Sakrament
sie wird qualvoll und in tausend Schrecken sterben. Wenn La Valette überlebt, stirbt Amparo. Ihr habt die Wahl.«
»Ihr würdet die Gefahr auf Euch nehmen, daß Carla Euch verabscheut?«
»Carla würde es nie erfahren. Man würde ihr zu verstehen geben, daß ich Amparo erlaubt hätte, mit Euch die Insel zu verlassen.«
Tannhäuser ignorierte den Aufruhr in seinem Inneren. Er nickte. »Wiederum muß ich Euch gratulieren.«
»Ich habe einen meiner Leute ganz in La Valettes Nähe in der Kirche«, sagte Ludovico. »Die geringste verräterische Handlung Eurerseits, und er sorgt dafür, daß das Mädchen stirbt.«
»Es ist trotzdem eine schwierige Aufgabe«, meinte Tannhäuser. »Vor allem kommt es auf Heimlichkeit an. Wenn ich feststellen muß, daß irgendein Ritter im Dunkeln hinter mir herläuft oder einer Eurer Helfershelfer mir auf den Fersen ist, dann kann ich für ihr Leben keine Gewähr übernehmen.«
»Das Vertrauen, um das Ihr bittet, sei Euch gewährt. Ich gestehe Euch zu, daß Ihr es braucht. Mein Mann wird La Valette beobachten, nicht Euch. Ihr findet Eure Ausrüstung und Kleidung vor der Tür. Ein Boot wartet am Kai. Buraq ist bei der Ruine der Brücke angebunden.«
»Als wir uns zum erstenmal trafen, habt Ihr mich von meinen Sünden losgesprochen«, sagte Tannhäuser.
Ludovico musterte ihn, als wolle er einen spöttischen Zug entdecken. Er konnte nichts dergleichen ausmachen. Er hob die Hand.
»Ego te absolvo a peccatis tuis, in nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti. Amen.«
Ludovico wandte sich ab und ging ins Dunkel hinein.
»Am Kalkara-Tor«, sagte Tannhäuser, »wer hat uns da verraten?«
Ludovico blieb stehen und drehte sich zu ihm um, eine gesichtslose Silhouette vor der Finsternis.
»Euer Mädchen, Amparo«, erwiderte er.
»Das glaube ich Euch nicht«, stieß Tannhäuser hervor.
»Es hat ihr das Herz gebrochen, daß sie Buraq verlassen mußte, also hat sie dem Pferd alles erzählt, was sie wußte.«
Lächelte Ludovico im Dunkeln? Tannhäuser konnte es nicht ausmachen.
»Die alte Sizilianerin hat sie gehört.«
S AMSTAG , 8. S EPTEMBER 1565 – F EST DER G EBURT
DER S ELIGEN J UNGFRAU M ARIA
In der Verkündigungskirche – In San Lorenzo – Im Gerichtshof
Bis er endlich Gullu Cakie in der Verkündigungskirche gefunden hatte, war Tannhäuser so wütend wie noch nie in seinem Leben. Die Verzückung jedoch, die in der Kirche herrschte, kühlte seinen Zorn, und das war gut, denn er wollte, daß ihm das Blut kalt wie Eis durch die Adern floß.
Die Pfarrkirche war gedrängt voll, obwohl es noch dunkel war, und er überlegte, daß sie auch bis zum Festgottesdienst am Abend überfüllt bleiben würde. Daß die Erlösung von der türkischen Gefahr an einem so heiligen Festtag gekommen war, lasen alle als Zeichen für das Erbarmen Gottes. Und wenn die Menschen auch in diesem Jahr keine Ernte zu feiern hatten, dann hatten sie doch auf dem Schlachtfeld ihre Freiheit geerntet, und dafür sagten sie Christus und der Seligen Jungfrau nun von Herzen Dank. Der Sommer war vorüber, und sie waren gerettet.
In der Verkündigungskirche flackerte es gelb und schwarz von den unzähligen Kerzen und Votivlichtern. Lampendochte rauchten in den Halterungen unter den Stationen des Kreuzwegs. Eine Madonna war mit seidenen Blumengirlanden behängt worden. Eine Garbe ausgetrockneter Weizenhalme und eine Traube, die man irgendwo in L’Isla in einem kleinen Weinberg aufgetrieben hatte, lagen zu ihren Füßen. Mit Bändern geschmückte Ziegen zitterten und bebten hier und da in der Menge. Körbe mit welkem Gemüse und Eiern standen vor dem Altar. Nachdem Tannhäuser sich durch die Gemeinde gedrängt hatte, fand er Gullu Cakie, der an eine Wand gelehnt dastand, unter einem Gipsrelief, das die Geißelung Christi an der Schandsäule darstellte. Als er den Ausdruck in Tannhäusers Augen bemerkte, verneigte sich der Alte vor dem Altar, bekreuzigte sich und folgte ihm, ohne daß ein Wort nötig gewesen wäre, nach draußen.
»Ich hätte nicht erwartet, Euch noch einmal zu Gesicht zu bekommen«, sagte Gullu Cakie. »Viele glauben, Ihr wäret desertiert.«
»Und Ihr?« fragte Tannhäuser.
Gullu Cakie schüttelte den Kopf. »Euer Boot war noch in Zonra.«
Tannhäusers Überraschung dauerte nur einen kurzen Augenblick. Cakie wußte von mehr Intrigen und Machenschaften als sonst jemand auf Malta. Er hatte wahrscheinlich seit dem Tag von dem Boot gewußt, an dem Tannhäuser es gestohlen hatte.
Gullu fügte noch
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