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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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hinter sich zu lassen, wenn die Umstände dies erforderten. Familie, Heimatland, Religion, Kaiser. Selbst Eure geliebte Taverne.«
    Tannhäuser hätte dagegen kein Argument vorbringen können.
    Ludovico lächelte. »Selbst Sabato Svi.«
    Das düstere Echo dieser unerhörten Beleidigung verhieß nichtsGutes. Beinahe hätte sich Tannhäuser zu einer empörten Erwiderung hinreißen lassen, aber er diente seiner Sache besser, wenn er Ludovico in dem Glauben ließ, daß er ein übler Schurke war.
    »Also hat Sabato es nicht nach Venedig zurück geschafft.«
    »Er hat Messina niemals verlassen. Der Dank dafür gebührt, sagte man mir, einem gewissen Dimitrianos.« Ludovico verzog verächtlich den Mund. »Juden zu denunzieren ist immer und überall ein besonderes Vergnügen.«
    Tannhäuser hatte geglaubt, inzwischen gegen Schrecken und Mitleid gefeit zu sein. Er schloß die Augen. Wenn er das nicht getan hätte, dann wäre er vielleicht um die Grube herum auf Ludovico zugestürzt und hätte den schwarzen Mönch in Stücke gerissen.
    Einen Augenblick lang überließ ihn Ludovico seiner stummen Trauer.
    Dann fuhr er fort: »Den Juden werdet Ihr vergessen. Wie Ihr auch die Contessa Carla vergessen müßt.«
    Tannhäuser brachte es fertig, kühl und reserviert zu antworten. »Meine Abmachung, die Contessa Carla zu heiraten, war eine Bezahlung für geleistete Dienste. Ich wäre zu gerne Graf geworden. Eine Herzensangelegenheit war es jedoch für mich nie.«
    »Für sie ist es aber eine geworden.«
    »Frauen neigen leicht dazu, sich zu verlieben, insbesondere in ihre Beschützer. Und das Kind einer Frau zu beschützen verleiht einem Mann einen noch mächtigeren Zauber.«
    »Es beruhigt mich, daß Ihr das sagt«, meinte Ludovico. »Es deckt sich mit meinen eigenen Beobachtungen. In derlei Angelegenheiten seid Ihr jedoch erfahrener und skrupelloser als ich.«
    »Ich habe auch eine Art Mönchsleben geführt.«
    »Aber Ihr habt Euch nie verliebt.«
    »Diesen Abgrund konnte ich nie überwinden. Meine Schwäche ist eine des Fleisches, nicht des Geistes.«
    »Amparo, das spanische Mädchen, ist ganz vernarrt in Euch.«
    »Geht es ihr gut?«
    »Wie Carla hat sie alle Annehmlichkeiten gehabt und wurde mit Höflichkeit behandelt.«
    »Ich würde ungern sehen, daß ihr etwas geschieht«, sagte Tannhäuser.
    »Benutzt Euren Verstand, dann rührt keine Hand außer der Euren sie an.«
    Tannhäuser fiel auf, wie schlau und ausweichend diese Antwort war, und doch witterte er keine Lüge. Auch ohne Unwahrheiten hatte der Inquisitor alle Trümpfe in der Hand.
    »Warum seid Ihr nach Birgu zurückgekehrt?« fragte Ludovico.
    Mit dieser Frage wollte er Tannhäuser offensichtlich in Verlegenheit bringen. Tannhäuser zuckte die Achseln. »Ich hatte ein kleines Vermögen hier zurückgelassen, Opium und Edelsteine. Genug, um ein florierendes Geschäft zu eröffnen, entweder in Italien oder in Tunis oder wieder am Ufer von Stambul. Außerdem gefiel mir der Gedanke, meine Gefährten in türkischen Ketten zu wissen, nicht sonderlich gut, und ich dachte, ich könnte sie vor diesem Schicksal bewahren.«
    Ludovico lehnte sich vor. »Haßt mich Carla?«
    Die Frage entfuhr ihm, als wäre sie ein Leben lang in seiner Brust gefangen gewesen.
    »Zu mir hat sie nie dergleichen gesagt«, erwiderte Tannhäuser, »und es hat ihr wahrlich nicht an Gelegenheiten dazu gefehlt. Ihre Seele bietet keinen Nährboden für ein Gefühl wie Haß. Sie ist verwirrt über Eure Grausamkeit. Für Frauen ist die Barbarei im allgemeinen ein unentwirrbares Rätsel. Ich bezweifle, daß sie es zu schätzen wüßte, wenn Ihr mich auf einen Scheiterhaufen bindet. Aber was Euch betrifft, so würde ich sagen, daß sie eher Trauer verspürt, Trauer über den Anblick eines Mannes, den sie einmal geliebt hat und der sich dem Bösen verschrieben hat.«
    Ludovico nickte, als müsse diese Trauer für den Augenblick ausreichen. »In all den Jahren, in denen ich mit dem Tod im Bunde war, wollte ich doch nie, daß irgend jemand stirbt. Meine Pflicht und die Sicherheit der Kirche haben es anders verlangt. Aber manchmal, das muß ich zugeben, habe ich mir mit außerordentlicher Leidenschaft Euren Tod gewünscht.«
    »Ich gebe zu, daß ich eine ähnliche Sehnsucht nach dem Euren verspürt habe«, sagte Tannhäuser.
    »Trotzdem bemerke ich jetzt, da wir uns von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen, daß meine Wut verflogen ist.«
    »Wie die Araber sagen: Es ist besser, einen weisen Mann zum Feind als

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