Das Sakrament
lehnen. Tannhäuser brachte Buraq zum Traben, und als er näher kam, sank sein Mut noch mehr.
Ein paar massige Gestalten in Rüstung lagen mit ausgestreckten Gliedmaßen in der glühenden Mittagssonne. Der erste war Bruno Marra. Blut strömte ihm aus den Ohren und aus den Augenhöhlen. Der Brustpanzer des zweiten Ritters hob und senkte sich noch. Neben unzähligen anderen Wunden ragte eine gebrochene Lanze aus seiner Leiste. Es war Escobar de Corro. Tannhäuser schwang sich vom Pferd und zog das Schwert. De Corro schaute zu ihm auf. Die Züge des Kastiliers zitterten, so sehr bemühte er sich, seine Schmerzensschreie zu unterdrücken. Darüber hinaus verriet seine Miene nichts, und so schnitt ihm Tannhäuser die Kehle durch und ging zu dem Baum.
Gullu Cakie hielt Bors eine Wasserflasche an die Lippen. Der Engländer trank mit gierigen Schlucken, spuckte sich dann einen Schwall in die Hand und wischte sich über das Gesicht. Gullu schien unversehrt zu sein, und dafür schickte Tannhäuser ein Dankgebet gen Himmel. Bors war barhäuptig, sein Haar war strähnig und schweißnaß. Er hatte unzählige Wunden am Kopf und im Gesicht. Sein linker Arm war an der Schulter beinahe abgetrennt, und in dem klaffenden Spalt glänzten blutige Knochen und Sehnen. Unter seinem Harnisch hervor triefte Blut in seinen Schoß. Die Muskete aus Ebenholz und Silber hatte er ans rechte Ohr gelehnt, als wollte er sie als Stab auf seinem Weg in die Unterwelt benutzen.
Tannhäuser ging neben ihm in die Hocke, und Bors lächelte.
»Nur einer von vieren tot?« fragte Tannhäuser. »Die Tage im Verlies müssen deinen Arm beinahe so geschwächt haben wie deinen Kopf!«
»Mit der Zeit hätte ich Anspruch auf drei Leichen erheben können, noch ehe du aufgetaucht bist«, knurrte Bors.
»Drei?«
»Der schwarze Höllenhund sollte dir keine Schwierigkeiten mehr machen. Ich habe endlich einen Schuß durch diesen verflixten Negroli-Panzer bekommen. Stahlkugel, doppelte Pulverladung, auf hundertundfünfzig Fuß Entfernung.«
»Das müßte reichen«, meinte Tannhäuser.
»Anacleto habe ich für dich übriggelassen.«
Tannhäuser schaute zu Gullu Cakie.
»Ich habe sie bis zur Straße nach Mdina verfolgt«, sagte der Alte. »Ludovico war nicht mehr in der Lage, den Anstieg zu schaffen, und da sind sie statt dessen in Richtung Birgu abgebogen.«
»Und der Junge?«
»In bester Verfassung«, meinte Bors. »Ich glaube, ich habe ihn überrascht.« Er lächelte. »Ich habe sie alle überrascht, die Schweinehunde. Du solltest dich besser beeilen, sonst erreicht Ludovico die Stadt noch vor dir und zieht deinen Namen in den Schmutz.«
Tannhäuser fragte: »Sehe ich dich wieder?«
Bors schüttelte den Kopf. »Höchstens im Jenseits.« Er zeigte auf den Baum, der keinerlei Schatten spendete. Dort saßen drei fette Raben auf einem kahlen Ast und schauten mit seltsamen Kopfbewegungen zu ihnen herunter. »Sie sind gekommen, um meinen Geist in die andere Welt zu begleiten. Aber traure nicht! Ich habe meinen Frieden mit Gott gemacht. Die Straße war lang, und ihr Ende ist sehr viel ruhmreicher, als ich es verdient hätte.«
Tannhäuser umarmte Bors und drückte ihn an sich. Er hatte sich diesen Augenblick oft ausgemalt. Den Tod seines liebsten Freundes. Nun war er gekommen, und seine Trauer war größer, als er ertragen konnte. Er brachte kein Wort heraus, schluckte nur und lächelte.
»Wenn du nach Venedig zurückkehrst«, sagte Bors, »und unsere Waren verkaufst und unser Gold zählst, dann gib meinen Anteil der Familie von Sabato Svi. Er war ein verdammter Jude, sicher, und wenn ich in die Hölle komme, dann werden er und ich dort in alle Ewigkeit auf dein Wohl trinken, aber seine Nachkommen können meine Beute besser brauchen als du.«
Bors kämpfte tapfer gegen einen Krampf an, der ihn schüttelte. Er wischte sich über den Mund und nahm dann Tannhäuser beim Arm. Trotz seines äußerst geschwächten Zustands war sein Griff immer noch so fest wie ein Schraubstock.
»Gullu wird zusehen, daß meine Leiche nach Birgu kommt«,sagte er. »Wirst du dafür sorgen, daß ich anständig begraben werde?«
Tannhäuser nickte.
»Jetzt küß mich, mein Freund, und mach, daß du fortkommst«, sagte Bors. »Ich habe nichts für lange Abschiede übrig.«
Tannhäuser umfing den riesigen Kopf mit beiden Händen. Dann küßte er ihn auf den Mund.
»Bis zum Ende«, sagte Tannhäuser.
»Bis zum bitteren Ende«, erwiderte Bors.
Tannhäuser stand auf und ging zu
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