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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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annehmen – und das könnt Ihr genausogut wie alle anderen Menschen, wenn Ihr nur Euer Herz öffnet. Dann würdet Ihr die Liebe unseres Herrn Jesus Christus erfahren.«
    »Zweifellos.« Tannhäuser lächelte sie so an, daß sie sich bevormundet fühlte. »Aber lassen wir das für ein andermal und kümmern uns jetzt um dringendere Angelegenheiten. Wer war der Vater des Jungen?«
    Sie zögerte. »Ein Mönch.«
    »Erzählt mir mehr.«
    »Ich war fünfzehn Jahre alt, das einzige Kind meines Vaters. Meine Schwangerschaft hat meine Familie in große Schande gestürzt und hat, so sagt man mir, zum frühen Tod meiner geliebten Mutter geführt.«
    Tannhäuser schnaubte, um seine Verachtung für diese Mär zum Ausdruck zu bringen.
    »Sei es wie es sei: Mein Vater ließ mir das Kind gleich nach der Geburt wegnehmen. Ich habe mein Söhnchen nie wieder gesehen und weiß nichts über sein Schicksal.«
    »Keine ungewöhnliche Geschichte«, meinte Tannhäuser.
    Carla fuhr zusammen.
    »Jeder kann in die Fallstricke der Leidenschaft geraten. Sizilianische Väter bewachen die Tugend ihrer Töchter eifersüchtig, und wenn es darum geht, sich vor den Folgen der Wollust zu drücken, haben die Priester gegenüber den meisten anderen Männern einen großen Vorteil. Die Kais von Messina wimmeln nur so vor Findelkindern dieser Art, und ihr Los ist bitter.« Wie zur Bestätigung ballte er die Faust. »Aber wenn Euer Junge lebt, dann ist er bestimmt stark. Habt Ihr eine Vorstellung, wohin man ihn gegeben hat?«
    »Die Findelkinder werden gewöhnlich zum Hospital des Ordens in Birgu gebracht und dann einer Amme überlassen. Sobald sie entwöhnt sind, werden die Jungen in der Camerata – dem Waisenhaus – aufgezogen, bis sie drei Jahre alt sind, und dann kommen sie zu Pflegeeltern, wenn sich welche finden.«
    »Zwölf Jahre lang«, sinnierte er. »Ihr habt Euch Zeit gelassen, ehe Ihr Euer Kind wiederfinden wollt.«
    »Wie ich Euch schon gesagt habe – ich bin feige.«
    »Diese Maske, die Ihr hier aufsetzt, die Maske einer Frau ohne Mut, ist ein falsches Antlitz. Eure Handlungen widersprechen diesem Bild auf Schritt und Tritt. Seid versichert, es steht Euch nicht wohl an, und Ihr gewinnt so nicht mein Mitleid. Die Wahrheit andererseits könnte das sehr wohl erreichen.«
    »Man hielt mich für die besseren Eheschließungen, die mein Vater für mich geplant hatte, nun für ungeeignet«, begann Carla.
    »Für dieses Problem gibt es Abhilfe«, erwiderte Tannhäuser. »Das getrocknete Blut einer Taube oder eines Hasen zum Beispiel, das angefeuchtet wird durch …«
    »Sir, der Möglichkeit, meine Jungfräulichkeit vorzutäuschen, habe ich nicht viele Gedanken gewidmet. Mdina ist nicht Paris, und Unzucht ist dort nicht die Mode. Der Druck, den man auf mich ausübte, war erheblich. Meine Eltern waren sich einig gegen mich, und mein einziger Trost war der Gott, dessen Existenz Ihr so hartnäckig leugnet. Ich wiederhole, ich war gerade fünfzehn Jahre alt. Mein Ehevertrag mit einem Mann, dessen Name mir unbekanntwar, wurde geschlossen, als mein Sohn geboren wurde. Nachdem man mir mein Kind weggenommen hatte, verfiel ich in eine tiefe Melancholie und wurde in diesem Zustand nach Aquitanien eingeschifft. Ich will Euer Mitleid nicht. Ich will Euch höchstens für Euren Sachverstand anheuern.«
    Carla unterbrach sich, um die Wut in ihrer Brust zu zügeln. Tannhäuser schwieg.
    »Die spanische Krone«, fuhr sie fort, »erlaubt die Vererbung eines Adelstitels über die weibliche Linie, und darin lag mein einziger offensichtlicher Wert. Ich hatte Glück. Der Ehemann, den mir der Heiratsvermittler gefunden hatte, war ein reicher und ältlicher Witwer, der seinen Anspruch auf einen Titel stärken wollte und den die Wassersucht so sehr plagte, daß er mich gar nicht belästigte. Er konnte jedoch noch vor seinem Tode den Adelsbrief vom französischen König erwirken, und mein Stiefsohn – der älter ist als ich – trägt nun den stolzen Titel Comte de la Penautier. Ich habe dank des Vertrages Besitz und Einkommen geerbt, das mir meinen Lebensunterhalt sichert. Wie Ihr seht, Sir, stamme ich aus einer Schicht, die viel zu zivilisiert ist, um auf Taubenblut zurückgreifen zu müssen.«
    Ihre Bitterkeit war Tannhäuser nicht entgangen. Er neigte den Kopf.
    »Ich betrachte mich als getadelt und bitte Euch um Verzeihung«, sagte er.
    In diesem Augenblick war Carla wenig geneigt, ihm diesen Wunsch zu gewähren.
    »Zu Eurer Besänftigung«, fügte er hinzu, »laßt

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