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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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verwendete,hatte acht von den zwölf Zentnern im Lagerhaus zur Couronne gekarrt, dazu noch ihre Kriegskisten, Geschirre, Vorräte und die Musketen der besiegten Büttel. Mattias dagegen tauchte auf einem ungesattelten Pferd auf, hatte zwei Frauen und eine Sammlung von Musikinstrumenten im Schlepptau, wie ein Völkchen fahrender Sänger, die sich verirrt hatten und nun auf dem Weg ins Verderben waren. Wenn man bedachte, daß Mattias zwei Priester und drei Diener der spanischen Krone umgebracht hatte, zeigte er bewundernswerten Gleichmut. Als er seine beiden Damen und den goldenen Hengst an den erstaunten Rittern vorbeiführte, hatte er sogar eine bezaubernde Freundlichkeit an den Tag gelegt. In Notfällen war Mattias wirklich ein Fels in der Brandung.
    Nun stand Mattias auf dem Achterdeck und unterhielt sich mit dem berühmten italienischen Kapitän und dem Leutnant Turcopolier, als wäre er ihresgleichen und nicht der inzwischen wohl meistgesuchte Mann auf Sizilien. Bors grinste. Der Mann war ein Wunder. Es überraschte Bors überhaupt nicht, daß der Großmeister ihn im Kampf auf seiner Seite haben wollte, aber der alte Pirat würde den doppelten Wert bekommen, denn wenn es um Gemetzel ging, dann konnte auch Bors diesen kämpfenden Mönchen noch einiges vormachen.
    Und die Frauen, die Mattias da unter seine Fittiche genommen hatte? Gott allein wußte, wieviel Unheil sie noch heraufbeschwören würden. Sie standen neben Bors am Dollbord des Geschützdecks, die Contessa und das Mädchen mit den wilden Augen. Er hatte jeder der beiden eine halbe Zitrone gegeben, mit der sie den Gestank der Sklaven betäuben konnten, und nun standen sie da und wedelten sich zierlich mit der Frucht unter der Nase herum. Die Contessa schaute immer wieder zu Mattias auf der Brücke hin. Bors konnte sehen, daß all ihre Hoffnungen – und wer weiß welche Träume? – nun fest auf seinem Freund ruhten. Die Hoffnung und Träume einer Frau wogen so schwer wie jede andere Last auf den Schultern eines Mannes, besonders wenn er in den Krieg zog. Das Mädchen neben ihr interessierte sich nicht für das Schiff, sie starrte nur auf die fernen Flammen, das einzige, was amdunklen Ufer noch zu sehen war, als übten sie eine Zaubermacht auf sie aus, als könnte sie in ihnen etwas sehen, das anderen entging. Die Frauen würden das Leben viel gefährlicher machen. Entscheidungen würden unsicher werden. Die Liebe würde den Brunnen und jeden, der aus ihm trank, vergiften, doch Bors hatte sich die heilige Aufgabe vorgenommen, Mattias den Rücken freizuhalten.
    In übermäßig ehrfürchtigem Abstand von den Frauen standen zwanzig oder mehr Ritter in schwarzen Wämsern und schauten auf das Ufer, das vor ihren Augen verschwand. Sie trugen alle das Kreuz mit den acht Spitzen auf der Brust, und diese seidenen Kreuze schimmerten gespenstisch im Mondlicht. Im Alter mochten sie etwa vier Jahrzehnte überspannen, doch die meisten wirkten jünger als dreißig Jahre. Alle trugen lange, kriegerisch wirkende Bärte. Alle murmelten ein Vaterunser. Die Ritter hatten sich dazu verpflichtet, täglich einhundertfünfzig Vaterunser zu beten, doch da es schwierig war, genau mitzuzählen, hörten sie kaum je damit auf, steigerten sich auf See mit ihren Gebeten in eine mystische Trance. Allmählich fielen die Männer in den gleichen Rhythmus, bis sie das Gebet beinahe im Einklang intonierten. Bors lief ein kalter Schauer über den Rücken, denn so viele Krieger in vollkommener Harmonie konnten selbst einem Stein das Zittern beibringen. Er bemerkte, daß die Contessa ins Gebet der Ritter eingefallen war, das Mädchen jedoch nicht.
    Bors schaute auf Sizilien zurück. Sie fuhren auf ein Blutbad zu, und doch sehnte er sich danach mehr als nach Gold oder Ehre. Nur in der Schlacht wurden alle Fesseln der Moral gesprengt. Nur auf dem Feld des Blutes, wo alle bisherigen Errungenschaften null und nichtig waren, wurde der wahre Kern eines Mannes freigelegt. Nur hier ließ sich Erhabenes erreichen. Der größte Teil der Menschheit lebte, ohne diese Ekstase je kennengelernt zu haben. Wenn man sie einmal erfahren hatte, verblaßte alles andere davor. Die Schrecken, die in der Welt ohnehin in Unmengen geboten wurden, waren ein kleiner Preis, den er gern bezahlte, um dieses Gefühl noch einmal zu erleben. Mit rasselnden Blöcken, klatschendem Segeltuch undsurrender Takelage entrollten sich die riesigen roten Segel von den Rahen und blähten sich im Wind. Auf dem Großsegel prangte ein

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