Das Sakrament
oder anderen Seite stehen konnte. Was die Verteidiger der Bastion betraf, so war der alte Karagiozi als erstes Opfer gleichfalls eine geniale Wahl. Jeder Bewohner der Insel kannte den alten Mann, und man empfand sogar eine gewisse Zuneigung zu ihm. Für die meisten stellte er das menschliche Gesicht des Islam dar. Nun krümmte er sich am Galgen. Mit einem einzigen Schlag hatte La Valette die gesamte Bevölkerung zu Komplizen eines schändlichen Mordes gemacht. Er hatte sie in den Augen ihrer Feinde alle als Ungeheuer miteinander verschworen.Wenn dieser Kampf mit äußerster Grausamkeit und Ruchlosigkeit ausgetragen werden sollte, dann war sich nun jeder Mann auf den Verteidigungswällen der Christen darüber mehr als im klaren.
Am Ende des Henkerseils hörten die Zuckungen des alten Mannes allmählich auf, und er schwebte nun leblos und als grausiges Zeichen über der Großen Ebene.
Hauptmann Le Mas erhob das Schwert und ließ sein Brüllen weithin über die Ebene erschallen.
»Für Christus und Johannes den Täufer!«
Während Le Mas’ Stimme verklang, nahmen die Christen, die auf den Wällen zusammengelaufen waren, seinen Schrei auf. Er breitete sich wie eine Welle nach links und rechts aus, von einer Bastion zur nächsten, er flutete über die Werftbucht und an den Mauern der Festung St. Michael entlang. Der Schlachtruf hallte über das Wasser des Großhafens bis zu den Verteidigungsanlagen des fernen St. Elmo. Dann war er verklungen.
Wieder ertönten die türkischen Hörner, und die Feldschlangen auf den Anhöhen bäumten sich auf wie an die Kette gelegte Drachen und spuckten Flammen aus ihren Mäulern. Der Zermürbungskrieg hatte begonnen.
Zwanzig steinerne Kanonenkugeln flogen im hohen Bogen auf Birgu zu. Während diese Geschosse große Lücken in die Mauern der Bastion von Kastilien rissen und den Boden unter ihren Füßen erschütterten, stürmte ein Regiment von Tüfekchi -Janitscharen die Anhöhe hinunter und über die Ebene. Tannhäuser beobachtete, wie sie sich mit atemberaubend präzisen Bewegungen zu dreifachen Feuerlinien auffächerten und wie ihre langläufigen Gewehre hell aufflackerten, während sie die Läufe zum Zielen ausrichteten. Eine Musketensalve wurde abgefeuert, die Schützen verschwanden hinter einer Rauchwolke. Vielen schienen sie außerhalb der Schußweite zu sein, aber Tannhäuser wußte es besser. Er duckte sich hinter die Basteimauer, und das Pfeifen der Kugeln ging in helle Schläge über, als die Geschosse auf die Rüstungen der Ritter prallten. La Valettes junger Page wurde in den Hals getroffen und sank zu Füßen seines Herrn nieder, dochder Großmeister zuckte nicht mit der Wimper, sondern wies nur die Träger mit einer Handbewegung an, ihn zu entfernen.
Tannhäuser richtete sich auf und legte sein Gewehr auf der Mauer an.
Seine Rüstung und sein Helm waren stickig, und weit und breit gab es keinen Schatten. Er wischte sich die Stirn mit dem Tuch, das er sich in einen Ärmel gestopft hatte. Der Rauch auf der Ebene lichtete sich, und Tannhäuser sah, wie die vordere Reihe der Janitscharen die Gewehre neu lud. Unter ihren hohen weißen Mützen erkannte er die Gesichter nur verschwommen. Er legte den Kolben seines spanischen Gewehrs an die Schulter und zielte auf den Mann in der Mitte der Feuerlinie. Er berechnete den Höhenunterschied und drückte den Abzug. Das Rad wirbelte gegen die Feuersteine, und das Gewehr donnerte los. Er hatte vergessen, Wachs zum Verstopfen der Ohren mitzubringen. Er spähte über die Rauchwolke der Explosion hinweg. Reglos lag sein Opfer im Staub. Ein Kamerad trat vor, um seinen Platz einzunehmen. Das war alles. Wieder einmal war Tannhäuser im Krieg. Er spürte, wie sich ihm eine Hand auf die Schulter legte.
»Großer Gott!« sagte Bors. »Ich glaube, du kannst für dich in Anspruch nehmen, den ersten Feind getötet zu haben.«
»Nein«, erwiderte Tannhäuser. »Der Preis geht an den Henker.«
An der ganzen Umwallungsmauer entlang explodierten die Hakenbüchsen der Christen, aber sie konnten sich nicht mit den Musketen von zwölf Handspannen der Türken messen. Auf der Ebene stoben rote Staubwolken auf, als alle Schüsse ihr Ziel verfehlten. Die Generalprofosse schrien ihre Männer an, sie sollten das Feuer zurückhalten. Ehe sich noch der Staub wieder gelegt hatte, kam eine neue Welle von Gazi durch den Dunst und schoß eine weitere Salve ab. Auf den Bastionen von Italien und Kastilien spuckten die Kanonen der Ordensritter Flammen in den
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