Das Sakrament
Lehm der Ebene hatte sich in einen Morast aus Schlamm und Blut verwandelt.
Abbas wartete immer noch auf den Befehl, sich ins Schlachtengetümmel zu stürzen, und wandte sich zu seinen Männern um. Wie er erwartet hatte, waren sie völlig unerschrocken und begierig auf einen Kampf. Doch die Sonne war im Westen bereits hinter den Monte Scibberas gesunken. Sein Adjutant machte ihm ein Handzeichen, und Abbas wendete sein Pferd. Von Mustafa Paschas goldenem Pavillon auf der Anhöhe kam ein Bote den Abhang herunter geprescht.
Mustafa war ein Isfendiyaro 5 lu . Während der Eroberung Arabiens hatte sein Vorfahre das Kriegsbanner des Propheten getragen. Inzwischen war er siebzig Jahre alt, legendär für seinen persönlichen Mut wie auch für sein heftiges Temperament und seinen ruchlosen Umgang mit seinen Männern. Mustafa hatte 1522 persönlich den Rittern des heiligen Johannes die demütigende Niederlage beigebracht, als nur die erhabene Gnade des jugendlichen Suleiman den Orden vor der völligen Auslöschung bewahrt hatte. Die Höllenhunde hatten auf diese Güte mit vierzig Jahren Schrecken und Grauen reagiert, deren Opfer zumeist muslimische Pilger und Händler waren. Diesen Fehler würde man nun ausmerzen. Nun würde die Festung der Höllenhunde dem Erdboden gleichgemacht werden, und nur ihr Großmeister würde verschont werden, damit man ihn in Ketten legen und vor dem Padischah niederknien lassen konnte. Allerdings würde das nicht in zwei Wochen zu erreichen sein. Die düstere Ahnung schlich sich in Abbas’ Gedanken ein, daß es vielleicht gar zwei Monate dauern könnte.
Er blickte noch einmal über das Schlachtfeld. Der Graben der Christen war tief, und die Festungsmauern waren ehrfurchtgebietend. Die Umwallung war roh aufgerichtet, aber klug ausgedacht. Wieder fiel sein Auge auf den Galgen auf der Bastion. Man sagte, die Seelen der Menschen könnten einander in den Träumen der Männer und Frauen dieser Welt wiedersehen. Würde irgend jemand, fragte sich Abbas, den gehenkten Sklaven im Schlaf willkommen heißen? Die Staubwolke des Boten kam immer näher. Abbas wußte, daß er den Angriffsbefehl für die Silhadar brachte. Er winkte den Regimentstrompeter zu sich. Er flüsterte:
»Preis und Dank sei Allah, dem Herrscher der Welten, dem Mitleidigen, dem Gütigen, dem Richter des Jüngsten Gerichtes. Dich allein beten wir an, und Dich allein flehen wir um Hilfe an. Weise uns den rechten Weg, Den Weg derjenigen, über die Du Deine Gnade ausgeschüttet hast, Nicht den Weg derjenigen, die Dein Zorn getroffen hat, Noch den Weg derjenigen, die vom rechten Pfade abgewichen sind.«
TEIL II
D IE MALTESISCHE I LIAS
M ONTAG , 4. J UNI 1565
Im Kloster Santa Sabina – In Rom
Ludovico war in kaum mehr als drei Tagen von Neapel nach Rom geritten. Der Weg war staubig und überaus anstrengend. Anacleto ritt an seiner Seite. Während der Reise beteten sie ununterbrochen, und die Menschen auf allen Gütern, an denen sie vorüberkamen, verneigten sich, als hielten sie sie für rachlustige Wiedergänger, die sich einer grausamen Sache verschrieben hatten, deren genauere Natur man besser nicht erfragte. Sie zogen an unzähligen heidnischen Katakomben und Grabmälern vorüber, die Erinnerungen an eine Großmacht waren, die längst der Vergessenheit anheimgefallen war. Sie aßen im Sattel und hatten bald den Überblick verloren, wie viele Pferde sie unterwegs erschöpft hatten. Selbst Ludovicos Ausdauer war beinahe an ihre Grenzen gestoßen.
In seinem äußerst erschöpften Zustand schienen ihm die Straßen Roms, die unter den schimmernden Sternen einer schwülen Sommernacht ächzten, noch alptraumhafter und noch sündiger. Er ritt durch die Porta San Paolo in die Stadt und hatte noch die Kapuze seiner Kutte über den Kopf gezogen, denn es waren immer Spione unterwegs, und er wollte nicht erkannt werden. An den Straßen der Ripa bemühten sich Zuhälter und Huren schamlos um ihre Kundschaft. Von seinem Mönchsgewand keineswegs abgeschreckt, boten sie ihm zarte Jünglinge an, falls ihm der Sinn danach stand. Exotische Vögel und Pflanzen – Papageien, die obszöne Schreie ausstießen, Spinnenaffen, Lemuren, winzige grüne Drachen an rotseidenen Leinen – wurden ihm hingestreckt. Köstliche Aromen von den Kochstellen der Verkäufer drangen an seine Nase, aber er widerstand ihrer Versuchung. In diesem schmutzigen Sodom lauerten viele Versuchungen, denen man widerstehen mußte.
Rom war eine theokratische Diktatur, und doch war der
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