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Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Titel: Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas R. P. Mielke
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unsere Herrschaft über die Schander , sondern auch die eigenen Leute.«
    Er wartete, bis seine Worte sich gesetzt hatten.
    »Bei unserem ersten Besuch hier habe ich noch ganz anders gedacht. Damals war ich eher eine Art Räuberhauptmann. Wir wollten stehlen, plündern und uns ein bißchen dafür rächen, daß wir so klein geraten waren.« Er lachte glucksend, wurde aber gleich wieder ernst. »Als ich anfing, unsere Situation zu verstehen, wollte ich aufgeben. Besonders nach dem Mißerfolg in den Fluchtkellern der Schander .«
    »Das haben wir gemerkt«, knurrte Galus.
    »Aber ich habe nicht aufgegeben, sondern den ganzen langen Weg nach oben jeden einzelnen beobachtet und dabei nachgedacht. Und wißt ihr, was mir dabei eingefallen ist?«
    Sie schüttelten den Kopf.
    »Du auch nicht, Patrick?«
    »Nein.«
    »Mir fiel ein, daß es Situationen wie unsere schon tausendmal gegeben hat. Zu allen Zeiten der Geschichte!«
    »Unmöglich!« knurrte Hector.
    »Und doch ist es so! Plünderer, Söldner, Landsknechte und Piraten waren stets ein wild zusammengewürfelter Haufen, die nichts vereinte außer zwei Merkmale: Sie waren Entwurzelte, und das Motiv ihres gemeinsamen Handelns war die Gier nach Beute.«
    »Aber es gab andere, die heilige Kriege führten oder für Ideen kämpften«, warf Patrick ein.
    »Wollten sie nicht auch etwas erbeuten? Und wenn’s die Seelen von Andersgläubigen waren. Aber darauf will ich nicht hinaus. Ich habe mir nur überlegt, was mit Siegern passiert, wenn keine Beute da ist.«
    »Dann wird es kritisch«, sagte Galus.
    »Eben«, nickte Corvay. »Dann haben die Besiegten plötzlich mehr inneren Zusammenhalt als die Sieger. Wenn es außerdem keinen Weg zurück mehr gibt, gehen die Sieger unter, oder sie werden durch die Umstände gezwungen, mit den Besiegten zu verschmelzen.«
    »Du meinst, wenn wir die Bankerts und die Schander Schander bleiben, gibt es uns bald nicht mehr«, überlegte Patrick.
    »Ganz richtig! Denn wenn nur zwei von den Schandern übrig bleiben, können sie weiterleben. Das haben sie schon einmal bewiesen. Könnten das zwei von uns ebenso?«
    »Wahrscheinlich nicht!«
    »Deshalb bleibt uns auf lange Sicht nur die Chance der Integration. Wir müssen die verschworene Gemeinschaft der Schander behutsam aufweichen und uns mit ihnen vermischen. Das geht nur, wenn wir unsere eigenen Leute durch einen äußeren Feind disziplinieren und ihnen stufenweise beibringen, daß sie eben nicht die Sieger sind ...«
    »Das wird verdammt schwer!« brummte Hector. Er hatte nicht alles verstanden, aber der Gedanke, mit Corvays Billigung einige der Schander -Mädchen zu besteigen, gefiel ihm ausgesprochen gut.
    Sie tranken alle einen tiefen Schluck Met. Das Feuer fiel langsam in sich zusammen.
    »Ich weiß nicht, ich weiß nicht«, sagte Galus bedächtig. »Was du gesagt hast, Corvay, war sicherlich sehr intelligent und gut durchdacht. Aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß die Schander bei deinen Plänen mitspielen!«
    »Warum nicht? Wir sitzen doch jetzt alle im gleichen Boot!«
    »Ja, aber sie sitzen schon seit siebenhundert Jahren darin. Das muß doch irgendeinen Grund haben.«
    »Vielleicht sollte das Sakriversum eine Art Arche Noah sein«, meinte Patrick. »Oder ein langfristig angelegtes Zucht-Experiment mit Menschen.«
    »Du bist verrückt!« kicherte Menennery Luck. »Soviel Vorausplanung? Und das im finsteren Mittelalter?«
    Corvay sah Patrick an.
    »Da könnte etwas dran sein«, sagte er und nickte nachdenklich. »Ich weiß, daß es hier irgendein Geheimnis gibt. Schließlich bin ich der einzige Mensch von draußen, der einen Teil des großen Testaments gesehen hat. Leider nur einen Teil und nicht mal den konnte ich ganz entziffern.«
    »Dann müssen wir herausfinden, was die Schander selbst glauben!« empfahl Patrick. »Ehe wir das Ziel ihrer Existenz nicht kennen, werden sie sich eher wie Lemminge in den Tod stürzen, als sich mit uns zu vermischen!«
    Galus schwieg. Er sagte nichts von Lea und von Lello, denn im Prinzip hatte Patrick vollkommen recht - auch wenn es Ausnahmen in der Vergangenheit gegeben hatte.
    *
    An diesem Dienstag wachte Goetz ziemlich spät auf. Er fühlte sich wieder etwas krank, deshalb blieb er noch eine Weile liegen und dachte über seine nächsten Schritte nach.
    Die Stille um ihn herum war beinahe körperlich fühlbar. Oder war sein Gehör schlechter geworden?
    Als er sich schließlich aufraffte und unter die Dusche stellte, kam nur noch kaltes

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