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Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Titel: Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas R. P. Mielke
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Wasser. Er würde sich daran gewöhnen müssen.
    Wie üblich schluckte er einige Medikamente. Auf dem Mikrowellenherd machte er sich ein Frühstück aus tiefgefrorenem Rührei mit Schinken. Dazu trank er zwei Gläser Kräutertee mit Vitaminen.
    Anschließend beschaffte er sich auf die gewohnte Weise einen gelben Overall mit mehreren Taschen und Gummistiefel. Irgendwann würde auch das vorbei sein! Er mußte sich langsam darauf vorbereiten.
    Er zog sich an und ging hinauf in die Kathedrale. Ohne sich am Altar aufzuhalten, stieg er die andere Treppe wieder nach unten. Er kümmerte sich nicht um die Mumien, sondern ging direkt ins Vorratslager.
    In der Nähe der Eingangstür lagen noch die Reste seiner ersten Nacht in der Kathedrale neben den Regalen. Er lächelte amüsiert, als ihm klar wurde, daß er in Zukunft selbst aufräumen mußte.
    Sorgfältig stellte er eine Traglast für den Aufstieg zusammen. Er ging an den Regalen entlang bis zu den Wasserkanistern, ehe er genug hatte.
    Die Schander kannten weder Kartoffeln, noch Mais oder Tomaten - von Ketchup, Schokolade, Kaffee und Fertiggerichten ganz zu schweigen. Es war nicht einfach, naturreine Vorräte zu finden! Schließlich hatte er Leinöl, Hirse, Haferkeime, Gerstenmehl, Honig, Trockenfisch, geraspelte Nüsse, gedörrte Pflaumen, Hagebuttenpulver und gefriergetrocknete Rübenschnitzel zusammen. Guntram und seine Leute mußten selbst beurteilen, was sie davon brauchen konnten.
    Er trug die Vorräte ins Mittelschiff der Kathedrale. Vor dem Altar machte er die erste Pause. Er sah nach oben und überlegte, ob er vielleicht einen Seilkran nach oben bauen sollte. Das war kein schlechter Gedanke!
    Er dachte an einen kleinen Lastenaufzug, den er später zu einer mit Solarenergie betriebenen Plattform erweitern könnte.
    Er schulterte den Beutel und ging zum Hauptportal. Die Türen zu den Türmen waren immer noch offen. Er wußte, daß er seine Kräfte einteilen mußte. Deshalb beugte er sich weit vor und hob in regelmäßigem Rhythmus einen Fuß nach dem anderen. Auf diese Weise fiel er beinahe die Stufen hoch.
    Er machte viermal Rast. Am vierten Rastplatz saß er lange auf der Brüstung eines schmalen Mauerdurchbruchs und blickte über die große, stille Stadt hinweg. Die Feuer waren erloschen. Nirgendwo stiegen Rauchsäulen in den klaren, blauen Himmel. So schöne Apriltage hatte es lange nicht mehr gegeben. Er fragte sich, woran das liegen konnte. An den Flugzeugen vielleicht, die nicht mehr wie gewaltige Walfische mit frachtgefüllten Bäuchen durch die Wolken zogen? Oder am Fehlen der Zivilisationsausdünstungen?
    Er ließ seinen Proviantbeutel auf dem Boden liegen und ging zur anderen Seite des Treppenabsatzes. Das Rosettenfenster war noch nicht bunt. Die Sonne stand erst im Süden. Goetz suchte in den Schatten der Westfassade nach Zeichen und Spuren, die ihm bei seinem ersten Besuch im Sakriversum weitergeholfen hatten.
    Er sah sie nicht mehr.
    Lächelnd ging er zurück und schulterte den Proviantbeutel.
    Jetzt kam das letzte Stück im Turm.
    *
    Lello hinkte stärker als sonst. Er hatte sehr schlecht geschlafen. Eigentlich noch schlechter als während des mühsamen Aufstiegs durch die geheimen Gänge von den Bleikellern zum Sakriversum!
    Einen Tag lang hatte er Stück für Stück der Teufelsmauer mit seinen Fingern untersucht. Er hatte in der Mitte begonnen und war zunächst nach Osten gegangen. Erst an den Aasbergen hatte er aufgehört. Er war bis zum Haferberg zurückgegangen und hatte ein paar grüne Ähren eingesammelt. Am Gerstenberg sahen die Sprößlinge der Wintergerste ausgetrocknet und verdorrt aus. Am Weizenberg war überhaupt noch nichts zu sehen.
    Lello legte die Hand über die Augen und sah über die Hügel und Täler hinweg. Nur ab und zu entdeckte er weit unten ein paar Halbwüchsige auf den Feldern. Dabei hätten doch gerade jetzt alle draußen sein müssen!
    Er schüttelte den Kopf und hinkte weiter. Wenn nicht bald etwas geschah, konnten sie alle nur noch nach unten in die Stadt gehen und verstrahlte Lebensmittel essen, an denen sie qualvoll sterben würden.
    Als er am Bach ankam, sah er, daß kein Wasser mehr floß. Er setzte sich auf einen Stein und blickte fast eine Stunde ins Dorf hinunter. Nicht einmal sah er einen von Corvays Leuten. Sie mußten alle noch hinter dem Wald im Westen sein!
    »Es ist eine Schande!« murmelte er.
    Es machte ihn traurig, daß er so hilflos dem sicheren Untergang des Sakriversums zusehen mußte. Warum konnte

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