Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.
Templer gesprochen hatten, als überall die neuen, gotischen Kathedralen entstanden.
Irgendwie hatte alles mit den Ereignissen vor siebenhundert Jahren zu tun, als die Geheimnisse der arabischen Welt mit der Mystik des Abendlandes zusammenstießen. Selbst die Überlieferungen der Walliser, Normannen und der Freimaurer paßten dazu.
Corvay hatte sich bei einem lange zurückliegenden Zechgelage einmal damit gebrüstet, ein verborgenes Wissen zu besitzen. Außerdem hatte er behauptet, daß er der legitime Nachkomme eines königlichen Geschlechts sei, dessen Fluch und Bestimmung es war, bis zu den letzten Tagen der Menschheit im Verborgenen zu leben.
Lello glaubte nicht, daß Corvay verrückt war!
Ebensowenig wie die Schander , die auch rechtzeitig nach unten geflohen waren.
24. KAPITEL
Guntram brauchte fast zwei Tage und zwei Nächte, um die geheimnisvolle Flugmaschine zu ergründen. In dieser Zeit schlief er nicht und nahm auch keine Speisen zu sich.
Nur hin und wieder trank er einen Schluck Met aus einem Lederbeutel, den er am Sündanger gefunden hatte.
In der ersten Nacht prägte er sich die äußeren Einzelheiten des riesigen goldenen Vogels ein. Immer wieder ging er mit langsamen, bedächtigen Schritten um ihn herum.
Die Maschine war so breit wie zwei Häuser, so hoch wie drei Häuser und mit dem Fächerschwanz so lang wie fünf Häuser.
Guntram hatte noch nie ein derartiges Kunstwerk gesehen. Nach den alten Maßen seiner Vorfahren hatte der schimmernde Metallvogel eine Breite von zehn Fuß, eine Höhe von fünfzehn Fuß und eine Länge von fünfundzwanzig Fuß.
Als er selbst einen Fuß vor den anderen setzte und an der Seite der Flugmaschine entlangging, kam er auf zweihundert seiner eigenen Fußlängen.
Er bewunderte die feinen, filigranartigen Nachahmungen von Federn am Körper des Metallvogels. Wenn er vor seiner breiten Brust stand und nach oben sah, wirkte die Flugmaschine wie ein unnahbares Standbild. Dort, wo die nachgeahmten Bauchfedern aus Gold in Brustfedern übergingen, begannen kunstvolle Verzierungen aus leuchtend bunten Metallstreifen, Emaille-Medaillons, und großen Edelsteinen in silbern glänzenden Einfassungen.
Guntram sah faustgroße Saphire, Rubine und Diamanten. Sie bildeten zwei übereinanderliegende Rosetten-Kreise auf der Brust des Vogels. Der untere war groß und bunt, im oberen befanden sich in einer blau leuchtenden Emaille-Fläche nur drei zum Dreieck angeordnete, strahlende Perlen.
Bei jedem Rundgang blieb Guntram immer wieder fasziniert vor dem Bug der phantastischen Flugmaschine stehen. Selbst das weißblau strahlende dritte Auge an der Stirnseite des hoch aufragenden Kopfes erschreckte ihn nicht mehr.
Gegen Mittag ging er zu einer zickzackförmig an der Seitenwand des Raumes aufsteigenden Treppe. Er stieg bis zu einer umlaufenden Galerie hinauf.
Von oben war der Blick auf die gewaltige Flugmaschine fast noch schöner. Blinkende Reihen von geschwungenen Beryllos-Linsen liefen von den Schultern des Vogels an den Flügelansätzen vorbei bis zum leuchtend-bunten Schwanzfächer. Sie bildeten Bögen wie mehrfache Perlenschnüre.
Guntram mußte sich zwingen, wieder nach unten zu gehen. Er wußte inzwischen, daß der Eingang in den goldenen Vogel an der Brustseite lag.
Mit drei Fingern drückte er auf das nur für Eingeweihte sichtbare Zeichen. Er trat ein paar Schritte zurück und wartete. Langsam öffneten sich die beiden Hälften einer gotischen Portaltür.
Licht fiel aus dem Inneren der Flugmaschine wie durch hohe, bunte Kathedralenfenster.
Guntram schritt über breite Stufen, die genau seiner Körpergröße angepaßt waren. Hinter ihm schlossen sich die Türen.
Den Rest des Tages und die darauffolgende Nacht streifte er durch die Wunderwelt des Inneren Altars.
Er war die eigentliche Arche!
Das äußerlich einem Vogel als Symbolträger des Menschentraums vom Fliegen nachempfundene Meisterwerk war viel mehr als ein mechanisch arbeitender Apparat.
Guntram hatte erwartet, im Innern ein System aus Zahnrädern, Seilen, Drähten, Spindeln und komplizierten Hebelwerken vorzufinden. Die Ereignisse der letzten Tage hatten ihn annehmen lassen, daß er als Logenmeister über das Wissen seines Volkes verfügte und auch die Geheimnisse der Eingeweihten kannte.
Jetzt mußte er erkennen, daß diese Informationen zwar in ihm gespeichert waren - aber nicht dort, wo sich Bewußtsein und Verstand befanden.
Es war viel eher so, als würden bei seinem Streifzug durch das Innere der
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