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Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Titel: Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas R. P. Mielke
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den ersten Sohn deines Vaters. Vielleicht kam er nur deshalb später mit euch und seiner rechtmäßigen Ehefrau Uta in den nördlichen Teil des Sakriversums ...«
    »Und Lello ist wirklich unser Bruder?« »Nur zwei Jahre älter als du«, sagte sie. »Ich war nie eine Schander , obwohl mich Meister Lamprecht später wie eine Leibestochter aufgenommen hat ...«
    »Woher kommst du, Tante Lea?«
    Ihre Mundwinkel zuckten.
    »Es gibt nur wenige Bankerts , die wissen, woher sie kommen ...«
    »Hast du dich nie um deinen Sohn gekümmert?«
    »Sie haben ihn mir fortgenommen und verkauft«, sagte sie leise.
    Guntram starrte über die schräg nach unten immer breiter werdenden Bohlentische. Die ganzen Jahre hatte er Lea als eine Frau angesehen, die unglücklich war, weil sie nie das Glück der Mutterschaft erlebt hatte. Erst jetzt, als schon fast alles zu spät war, erfuhr er, daß sein Vater schon vor ihm einen Sohn gezeugt hatte, noch dazu einen Bankert ...
    Er sah zu Lello hinunter. Corvays Narr turnte an abgeschnittenen Seilen von Flaschenzügen immer höher. War das sein Bruder?
    »Laßt uns hinauf!« rief der Narr. Er warf seinen rechten Arm nach hinten und griff über die Saiten einer kleinen, hölzernen Klampfe.
    Mit einem dumpfen »Wumm-wumm-tamm« drängte sich ein graues Muli mit kupfern schimmernden, rechts und links vom Sattel hängenden Paukenkesseln in den Bleikeller. Ein Mann in violetten Seidenmänteln und einem großen, breitkrempigen Kardinalshut ritt auf dem Muli in die Gruft. Er schlug die Pauken wie ein Automat.
    »Jetzt ... gleich ... der König kommt!« schrie Lello aufgeregt.
    Kettenhemden blitzten hinter Fackelträgern. Männer mit hohen Stulpenstiefeln, glänzenden Harnischen und blitzenden Hellebarden füllten den Bleikeller. Hinter ihnen keuchten vier Sänftenträger. Sie schleppten den safrangelben Thron von König Corvay.
    »Jubelt! Jubelt seinem Leben!« kreischte sein Narr.

3. KAPITEL
    Goetz legte sein Gesicht gegen die kalte Metalltür. Ganz langsam drückte er die eisernen, leise quietschenden Hebel zur Seite.
    Geschafft!
    Mit den Rückseiten der Handschuhe tupfte er seine Augen. Schweiß juckte an den gerade erst verheilten Wunden seines Kopfes. Er haßte den Gestank und den Schmutz, in dem er anderthalb Monate mehr vegetiert als gelebt hatte. Unter anderen Umständen hätte er es nie für möglich gehalten, daß ein Mensch wie er unter so grauenhaften, tierischen Bedingungen überleben konnte ...
    Für einen Augenblick wurde er von einer heißen, plötzlich aufwallenden Panik erfaßt. Wenn es jetzt nicht weiterging ... wenn hinter der Stahltür seine Hoffnungen zusammenbrachen ...
    Mit einem gurgelnden Aufschrei riß er die Tür auf. Er taumelte in den dahinterliegenden Raum. Eine blaue Notlampe warf ein geisterhaftes, unwirkliches Licht über sauber schimmernde, summende Aggregate. Druckanzeiger, Voltmeter und Kästen mit roten Digitalziffern glühten wie die Augen eines technischen Lebewesens im blaudunklen Licht.
    Goetz von Coburg wischte sich über das Gesicht. Er blickte auf undeutlich sichtbare Rohre, Leitungen und Apparate. Dann sah er, wie unter einer durchsichtigen Platte ein breiter Plastikstreifen Millimeter für Millimeter weiterrückte. Schwaches, gelbliches Licht zeigte, was fünfzehn computergesteuerte Schreibstifte auf den Registrierstreifen zeichneten: Außentemperatur, Windgeschwindigkeit, Windrichtung, relative Luftfeuchtigkeit, Taupunkt, Schwebstoffkonzentration, Schwefeldioxid, CO 2 -Gehalt, Wolkenhöhe, Lichteinfall, Innentemperatur, Luftdruck innen, relative Luftfeuchtigkeit innen, Sauerstoffzugabe, Fallout ...
    Goetz starrte auf die schwarzen und roten Zackenlinien. Das konnte einfach nicht wahr sein! Zwölf Schreibstifte hatten schwarze Spuren auf den Registrierstreifen gezeichnet. Die siebente, die achte und die fünfzehnte Linie fielen dagegen stark aus dem üblichen Rahmen. Sie überschnitten sogar die schwarzen Linien ...
    Man mußte kein Fachmann sein, um zu erkennen, was hier registriert wurde! Goetz von Coburg hielt sich mit beiden Händen an den Seiten des Gerätes fest. Er fühlte sich wieder schwach und ausgelaugt. In seiner seelenlosen, technisch perfekten Art zeigte ihm der Meß-Terminal, wie es wirklich um ihn stand. Und das war schlimmer als all die Tage und Nächte im Delirium.
    Eigentlich war er tot!
    Er mußte tot sein, wenn die Daten stimmten!
    Wie gelähmt beobachtete er die farbigen, bösen Schreibstifte an ihren Spinnenarmen. Die roten Filze

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