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Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Titel: Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas R. P. Mielke
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Schwester von der Seite her an.
    »Willst du sie etwa verteidigen?«
    Sie blickte ihm in die Augen. Manchmal verstand er doch weniger als eine Frau ...
    In diesem Augenblick setzten die Träger die safrangelbe Sänfte auf den Boden. Dann stieg Llewellyn Corvay, der König der Bankerts , von seinem Tragstuhl.
    Er trug ein braunes Samtbarett mit einer zerzausten, schmutzigen Fasanenfeder, ein rostrotes Wams mit Pluderärmeln und geschlitzte Beinkleider über hellbraunen Stulpenstiefeln. Unter seinem gestutzten Vollbart blinkte eine schwere Medaillenkette im Licht der Fackeln. Obwohl er größer und kräftiger als die meisten der Eindringlinge aussah, waren ihm alle Kleidungsstücke viel zu weit.
    Der wilde Haufen rund um Corvay lärmte auf den unterschiedlichsten Musikinstrumenten. Die Bankerts schrien in mehreren Sprachen und Dialekten durcheinander. Einige trugen abenteuerlich aussehende Waffen, andere schleppten Packen mit Decken, Kleidungsstücken und Gerätschaften in die Gruft. Nirgendwo stimmten die Proportionen.
    Die Schander blickten bestürzt und verwirrt auf das Durcheinander. Es war, als hätten sich alle Figuren der Gnome und Verwachsenen, der Tagelöhner und der Schwertgesellen von den Fassaden der Kathedrale gelöst, um jetzt am Zufluchtsort der Schander gegen ihre Jahrhunderte in Stein zu protestieren.
    Guntram und Agnes sahen dürre Männer mit fanatisch leuchtenden Kinderaugen, fette Weibsgestalten, falsche Mönche, Landsknechte, Marketenderinnen und andere, die wie Weltliche aus dem vorigen Jahrhundert gekleidet waren.
    Der König der Bankerts hob den kleinen Finger der linken Hand. Ein riesiger Schmuckstein blitzte auf. Sofort verstummten die Näherstehenden, während weiter hinten Frauen und Kinder weiterlärmten.
    Lello, der Narr, sah Corvays Zeichen. Er sprang auf eine der Leitern, die von den Schandern nicht mehr rechtzeitig hochgezogen worden waren. Mit einer Hand hielt er sich an einer Leitersprosse fest, mit der anderen schwenkte er seine Klampfe. Nur langsam verstummte der Lärm.
    »Dies ist die Gruft, in der sich unsere kleinen Brüder versteckt haben!« rief er mit hoher, kieksender Stimme. »Wir haben sie gefunden, wie es uns König Corvay versprochen hat. Jubelt! Jubelt seinem Leben!«
    »Wo sind die Vorräte?« schrie eine Frau aus dem Halbdunkel hinter den Fackeln. »Wir haben Hunger und wollen was zu fressen ...«
    »Ja! Schlagt die Türen ein und holt die fetten Schinken raus!« grölte einer der Waffenträger.
    »Sonst braten wir uns eine Schander- Jungfrau!« lachte ein anderer mit heiserer, trunken klingender Stimme.
    »Gemach, Freunde!« beschwichtigte Lello. Er lehnte sich zurück und schlug schnell hintereinander ein paar Akkorde auf seiner Klampfe. Dabei blickte er fragend zu Corvay hinab.
    Der König sprach mit seinen engsten Beratern. Sie hatten einen Kreis um ihn gebildet. Lello merkte sofort, daß es nicht gut aussah. Irgend etwas mußte schiefgegangen sein!
    Für einen Augenblick kam ein Gefühl der Panik in ihm auf. Mehr als sechs Wochen hatten sie benötigt, um das Versteck der Schander zu finden, von dem ihnen Llewellyn Corvay gefüllte Fleischtöpfe, Fässer mit Wein und reichlich Gold versprochen hatte.
    Tag für Tag waren sie kreuz und quer durch die geheimen Gänge der Kathedralenmauern gezogen. Sie hatten Wendeltreppen erklommen, deren Stufen so groß waren wie sie selbst. Vor dunklen Mauerspalten waren die Kinder schreiend zurückgewichen und ungeduldige Männer in Streit geraten. Lello wollte nicht mehr daran denken, wie viele sie sterbend im Labyrinth der Gänge zurückgelassen hatten ...
    Als König Corvay zu ihm hinaufsah und mit den Fingern schnippte, verfluchte Lello den Tag, an dem ihn Corvay gegen eine hohe Ablösungssumme von der Schauspieleragentur VARIETY - Skurrile Typen & Gesichter übernommen hatte. Aber jetzt war es zu spät!
    Lello legte den Kopf in den Nacken und rief die Schander.
    Es dauerte eine Weile, bis sich ganz oben auf dem kleinsten der übereinandergestapelten Bohlentische eine Bewegung zeigte. Wolfram trat neben Meister Lamprecht und Meister Heinrich an die Tischkante.
    »Was wollt ihr in den Zufluchtskellern unseres Volkes?«
    Seine Stimme klang dünn und alt, aber sein Zorn war nicht zu überhören.
    »Euer Volk ist unser Volk!« schrie Lello. »Ihr habt vor siebenhundert Jahren die Südseite des Sakriversums bekommen. Wir mußten im Norden hungern und frieren. Ist es da nicht gerecht, wenn ihr uns jetzt von euren Vorräten

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