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Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Titel: Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas R. P. Mielke
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erscheint! Wir werden ihn dringend benötigen ...«
    Die Gedanken von Agnes und den Clan-Chefs wurden immer intensiver. Wie eine große, allmächtige Kraft strömten sie durch jede Zelle seines Körpers. Er spürte auf einmal ein seltsames, befreiendes Vibrieren in sich. Er fand die Kraft des Universums in sich selbst, in seiner Seele.
    Er wankte, als er langsam in die Mitte des Raumes zwischen den großen Beryllos-Linsen schritt. Er hob den Kopf und öffnete die Hände. Als er sie drehte und seine Hände wie zum Empfang bereite Schalen nach oben zeigten, kam auch die Kraft der anderen ganz zu ihm.
    Er wurde eins mit der Idee des Lebens, Gottes und des Universums. In diesem Augenblick der Ewigkeit verloren Zeit und Raum und alles, was Materie hieß, ihre Macht über Guntram.
    Es war, als wäre alles Körperliche abgestorben und vergangen. Erst als er längst über dem offenen Meer schwebte, bemerkte er, daß er doch noch einen Körper hatte. Er wußte plötzlich, daß die goldene Flugmaschine einen langen Schweif feiner Eiskristalle hinter sich herzog. Spuren von einem Kontinent, der aufgebrochen war bis zu einer Tiefe, in der noch reines Wasser vorkam.
    *
    »Wir steigen aus!« sagte Menennery Luck. »Sobald die Clan-Chefs Guntram und die Flugmaschine zurückgeholt haben, schnappen wir uns den Vogel und verschwinden!«
    »Was heißt wir? « fragte Llewellyn Corvay gefährlich leise. Er saß mit seinen Beratern unter der Linde im Gras. Es wurde bereits Abend. Die meisten Schander waren von den Feldern zurückgekehrt. In einigen Häusern grölten betrunkene Bankerts alte Seemannslieder. Die meisten der Eindringlinge hatten sich den ganzen Nachmittag nicht sehen lassen.
    Menennery Luck stand auf. Er klopfte ein paar Grashalme von seinem dunklen, grob gewebten Mantel. Er war einer der letzten gewesen, der sich von seinen alten Kleidern getrennt hatte. »Wir wollen nicht mehr, daß du unser König bist!« sagte er mit kalter, kratzender Stimme zu Corvay.
    Hector und Galus blickten auf. Gleichzeitig hob König Llewellyn Corvay beschwichtigend die Hände.
    »Sprich weiter!«
    »Du warst nicht hart genug, Corvay! Das Gesetz des Lebens gibt keinem eine zweite Chance! Und du hast leider übersehen, daß jeder von uns auch nur eine einzige Haut hat! Du kannst den Lohn nicht zahlen, den du uns versprochen hast. Und deshalb interessiert uns nicht mehr, was du vielleicht heute oder morgen mit den Clan-Chefs aushandelst ...«
    »Was wollt ihr tun?«
    »Wir gehen!«
    »Wie viele?«
    »Mit mir zwölf.«
    Corvay nickte. Er starrte auf seine Hände, dann sah er Galus direkt in die Augen. Es dauerte sehr lange, bis er begriff, daß er sich auch auf ihn nicht mehr verlassen konnte.
    »Du hast dich zu sehr in einen Traum verrannt«, sagte Galus. »Das Sakriversum war für dich immer eine Legende! Ein Paradies, wie es jeder von uns im Kopf oder im Herzen hat! In diesem Land bist du der König - aber nur so lange, wie es keine anderen gibt, die deine Träume stören.«
    »Ich habe lange darüber nachgedacht«, sagte Corvay und nickte. So ruhig und beinahe freundlich hatte selbst Hector ihn lange nicht mehr gesehen. Erst jetzt erinnerte er sich wieder daran, wie Llewellyn Corvay reagierte, wenn schon bei der ersten Vorstellung einer groß angesagten Tournee die Zuschauer nach der Pause nicht wiederkamen. An diesen Abenden hatte sich Corvay in einen anderen Menschen verwandelt. In einen liebevollen Vater - einen Mann mit einem großen Herzen, an dessen Brust sich all seine mit Schminke verschmierten, jammernden Stars wie kleine Kinder ausheulen konnten.
    Er hatte immer wieder Schwache gefunden, die er trösten und gleichzeitig ausbeuten konnte!
    »Mach dir nichts draus, Corvay!« sagte Galus mitfühlend. »Du bist nicht der erste, der ein Königreich aufbauen wollte und über Nacht mit leeren Händen dastand!«
    Corvay zog die Brauen hoch. Menennery Luck lachte süffisant, ehe er zwei Finger in den Mund steckte und einen kurzen Pfiff ausstieß. Hinter den Büschen in Meister Herborts Garten bewegten sich ein paar geduckte Gestalten.
    »Laß sie gehen, Corvay!« empfahl Galus. »Sie werden nicht sehr lange überleben. Aber ... vielleicht haben sie mehr Glück als wir.«
    Die Adern an Corvays Schläfen schwollen an.
    »Was heißt hier Glück? Ich hatte alles erstklassig geplant! Konnte ich etwa ahnen, daß hinter uns die ganze Welt zusammenbricht? Konnte ich schon im voraus wissen, daß wir hier oben wie in einem Hungerturm gefangen sein

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