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Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Titel: Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas R. P. Mielke
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friedlich!« sagte Jan leise. Im gleichen Augenblick sah er, wie einige der wildesten Bankerts durch Meister Herborts Garten schlichen. Sie waren bis an die Zähne bewaffnet. Auf der anderen Seite des Baches bewegten sich ebenfalls die Büsche.
    »Was wollen die denn?« fragte Jan unsicher. Er sah zu Hector.
    »Menennery Luck hat sich gegen Corvay gestellt. Er hat gesagt, daß er die Flugmaschine kapern will, wenn sie zurückkommt ...«
    »Und dann?«
    Hector hob die Schultern.
    »Einige Männer sind auf seiner Seite. Sie wollen raus!«
    »Und warum ist Corvay dann auf Galus losgegangen?«
    »Weil der gesagt hat, daß alles längst geplant ist oder so ähnlich.«
    »Du meinst, daß Galus die ganze Zeit mehr gewußt hat als wir?«
    Hector wischte sich mit dem Handrücken über die Lippen.
    »Ich weiß nur eins, Jan: Wenn hier nicht bald Ordnung herrscht, schlage ich alles zusammen! Ich will nicht mehr, verstehst du! Es ist mir ganz egal, was die anderen machen! Meinetwegen sollen sie alle nach unten springen! Ich will meine Ruhe haben - und wenn ich dafür jeden Tag mit den Schandern auf die Felder gehen muß!«
    Jan starrte den ehemaligen Ringer verwundert an.
    »Du würdest nicht mit den anderen nach neuem Land suchen?«
    »Wozu denn? Hier könnte es alles geben, was ich brauche.«
    Jan blickte zu den Bewohnern des kleinen Dorfes. Sie standen dicht nebeneinander in Gruppen zusammen.
    »Wir möchten auch hierbleiben«, sagte er schließlich. »Ich habe lange mit Pete und Bronco darüber gesprochen. Die Schander hätten nichts dagegen.«
    Hector strahlte plötzlich über das ganze Gesicht.
    »Warum vertreiben wir dann nicht den Rest der Bande?«
    Jan wollte antworten, doch da fiel helles, weißblau gleißendes Licht durch die weit entfernten Scheiben des Rosettenfensters. Das Leuchten war so stark, daß es selbst die bunten Fensterfarben überstrahlte.
    Der Wald am Eichberg schien so hell zu brennen wie das Feuer in der Luft, das vor vielen Wochen die Menschen in den Städten getötet hatte.
    *
    Gut fünfundsiebzig Meter tiefer blieb Goetz von Coburg mitten in der Kathedrale stehen. Er wußte nicht, wie lange er ziellos durch den hohen Bau geirrt war.
    Zwei- oder dreimal hatte er versucht, die Türen der Krypta unter dem Altar zu öffnen - vergeblich! Er hatte sein Gesicht gegen hohe, kalte Säulen gelegt und war schweigend zu den Stein gewordenen Bildern aus der Welt der Baumeister und Steinmetze zurückgegangen. Es war wie ein Abschied von einem Erbe, das er wenigstens noch anfassen konnte.
    Dagegen waren die Erinnerungen an seine eigene Zeit schon fast verweht. Draußen standen nur noch die leeren Häuserhüllen, in denen einmal Menschen gelebt, geliebt und Angst vor sich selbst gehabt hatten.
    Was war davon geblieben?
    Wo waren jetzt die Bücher? Die Milliarden Gedanken und Ideen? Irgendwann in der Endzeit der Zivilisation mußte der Teufel den Menschen eingeflüstert haben, ihr ganzes Wissen aus ihren Büchern, ihren Köpfen und ihren Herzen zu holen und wissenschaftlich geordnet für die Ewigkeit zu speichern.
    Dort würde es nun bleiben, denn es gab keinen Menschen mehr, der einen Schlüssel zu den gestohlenen Informationen hatte.
    Als die Strahlen der Sonne nur noch die oberen Scheiben der bunten Fenster leuchten ließen, hörte Goetz plötzlich ein fernes, anschwellendes Raunen. Es klang wie das Geräusch von Blasebälgen einer Orgel.
    Nur wenige Augenblicke später fiel strahlendes, wunderbares Licht durch die Kathedralenfenster.
    Goetz blinzelte. Gleichzeitig wurde ihm bewußt, daß er noch immer nackt war. Er hatte den Schutzanzug ausgezogen, weil er den Schmutz und den tödlichen Staub nicht in die Kathedrale tragen wollte.
    Doch jetzt waren draußen Licht und Bewegung.
    Guntram!
    Er kam zurück! Goetz wußte , daß es nur Guntram mit seiner Flugmaschine sein konnte.
    Er wollte zum Hauptportal laufen, doch dann überlegte er es sich anders und rannte zurück. So schnell er konnte, eilte er die Treppe zum zwölfeckigen Raum hinunter.
    Die Mumien sahen noch eingefallener aus. Goetz kümmerte sich nicht um sie. Während er das Vorratslager betrat, wurde ihm bewußt, daß das Licht noch brannte. Für einen Moment blieb er verwirrt stehen.
    Dann funktionierten doch noch einige Einrichtungen aus der Zeit vor der Katastrophe!
    Der gelbe Overall, den er bei seinem zweiten Besuch im Sakriversum getragen hatte, lag noch immer naß und schmutzig in einer Ecke. Jetzt bedauerte er doch, daß es keine funktionierenden

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