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Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Titel: Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas R. P. Mielke
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Befehle der Königsmannen sind wie vom König selbst ...«
    »Nicht schlecht! Nicht schlecht!« sagte Galus grinsend. Er ging hin und her und rieb sich dabei die Hände. »Jetzt brauchen wir nur noch einen Katalog von Strafen, damit die Sache funktioniert!«
    »Hunger, Durst, Gefängnis, Folter«, schlug Menennery Luck vor.
    Galus hob entsetzt die Hände. »Nein, nein! Das muß noch viel subtiler angefaßt werden. Wir dürfen keine Diktatur aufbauen! Offen erkennbare Tyrannei birgt stets den Keim des Widerstands in sich. Was wir jetzt brauchen, ist ein System, das sich von selbst reguliert, ohne daß der König sichtbar eingreifen muß ...«
    »Angst vor dem Draußen«, schlug Menennery Luck vor.
    Galus neigte den Kopf »Das wäre eine Möglichkeit. Aber die Gefahr würde von Jahr zu Jahr abnehmen, bis eines Tages die Einschüchterung ihre Wirkung verliert.«
    Die Berater von König Corvay dachten so intensiv über den Aufbau einer Welt nach ihrem Geschmack nach, daß sie nicht wahrnahmen, wie immer mehr Menschen durch das Rosettenfenster ins Innere des Sakriversums drangen.
    Patrick Murphy hatte sein Muli mit den Paukenkesseln zur Wand geführt. Als er zurückkam, diskutierten Corvays Berater immer noch über die zukünftige Staatsform im Sakriversum.
    »Es gibt nur eine Möglichkeit«, sagte Galus, als Patrick zu ihnen stieß. »Wir brauchen eine starke Ideologie, die alle gleichzeitig fürchten und verehren!«
    »Warum dann nicht gleich eine neue Religion?« fragte Patrick. »Macht König Corvay zum Gott, dann habt ihr alles, was ihr wollt ...«
    »Ein Gott!« überlegte Galus. »Das macht ihn unangreifbar für Rebellen. Zumindest können wir damit die Schander disziplinieren! Wenn es uns andererseits gelingt, Corvay den Bankerts als eingeweihten Guru zu verkaufen, würden wir ihnen das Gefühl geben, mehr zu wissen als das Volk, das hier seine Heimat hat ...«
    »Götter brauchen Heiligtümer und einen Altar«, meldete sich Lello. »Wie wär’s, wenn wir die große Mauer zum Tabu erklären?«
    »Gut«, sagte Galus zustimmend. »Betrachtet euch ab sofort als Hohepriester des großen Gottes Llewellyn. Über die Einzelheiten reden wir noch. Wahrscheinlich müssen wir gleich nach der Ankunft im Dorf einen Dankgottesdienst inszenieren. Das wirkt auch auf die hartgesottenen Burschen in unseren eigenen Reihen!«
    »Und ich sag’s Corvay«, kicherte Lello. »Dann bin ich nämlich nicht mehr Narr, sondern der Götterbote ...«
    *
    Mathilda mußte warten, bis die Bankerts ihre lärmende Maschine durch das Rosettenfenster gezerrt hatten. Sie hatte gesehen, wie drei von ihnen abgestürzt waren. Obwohl sie Angst vor dem merkwürdigen Gerät mit seinen freiliegenden Gedärmen aus blinkendem Metall hatte, erreichte sie, daß die Bahre mit dem Leichnam von Meister Wolfram unmittelbar danach durch die zerstörten bunten Fenster gezogen wurde.
    Für sie und alle anderen Zuspätgekommenen war kein Tropfen Wasser mehr vorhanden. Trotzdem mußte sich Mathilda vor Freude und Aufregung an einem der schmalen Pfeiler festhalten. Nach langen, dunklen Wochen sahen sie das Sakriversum wieder ...
    Sie fühlte, wie die praktische Vernunft zu ihr zurückkehrte. Draußen warteten noch immer die Schwächsten auf helfende Hände. Mathilda raffte ihre zerfetzten Röcke auf und ging zu einer Gruppe von Clan-Chefs, die mit gesenkten Köpfen neben der leeren Wasserkuhle hockten.
    »Was ist in euch gefahren?« fragte sie. Ihre Stimme krächzte. »Wollt den Rest unseres Volkes draußen verkommen lassen? Warum antwortet ihr nicht, Meister Friedrich, Meister Eilhart, Meister Herbort?«
    »Wir sprechen die Gebete, die nach jeder Rückkehr am Abendzeichen vorgeschrieben sind!«
    »Ja, aber draußen werden Hände nicht zum Beten sondern zum Anpacken gebraucht!«
    Mathilda war so zornig, daß einige der jüngeren Schander beschämt die Köpfe einzogen.
    »Sind wir denn schon so roh und herzlos geworden wie diese anderen da?« Sie zeigte auf einige Bankerts. »Haben wir nicht immer alles gemeinsam getan? Wenn Meister Wolfram noch am Leben wäre, er hätte euch wohl Beine gemacht, ihr Faulpelze! Also hoch mit euch!«
    Ulf und Dietleib aus ihrer eigenen Familie waren die ersten. Andere junge Männer folgten. Mathilda führte sie bis zum Rosettenfenster.
    »Und nun seht zu, daß ihr sie alle hierher bringt. Ehe nicht auch das letzte Bankert-Weib im Sakriversum ist, wird nicht mehr gebetet!«
    Die Clan-Chefs hätten protestieren können. Sie taten es nicht,

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